Seiler's Werbeblog

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Dominik Imseng «Ugly is only skin-deep»

Wie Volkswagen-Werbung zur Volkswerbung wurde.
Dominik Imseng hat ein Buch über die wichtigste Kampagne der Werbegeschichte geschrieben. Michael Kathe hat das Buch gelesen und seine Eindrücke im nachfolgenden Artikel festgehalten. Anschnallen, starten und geniessen.

Noch bis in die Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts verstanden sich Werbeagenturen nicht als kreative Hotspots, sondern als beinahe-wissenschaftliche Unternehmungen. Konsumenten würden nach einem seltsamen behaviouristischen Reiz-Reaktions-Prinzip funktionieren. Dann beginnt mit Bill Bernbach und seiner Agentur DDB die „Creative Revolution“ in der Werbebranche. Werbung ist auf einmal der Kunst, der Originalität, der Eigenständigkeit verpflichtet. Keine andere Kampagne steht so sehr für diesen Paradigmenwechsel wie die VW-Käfer-Kampagne in den Sechziger Jahren. Kein Buch führt uns so süffisant und süffig durch die Geschichte dieser Kampagne wie Dominik Imsengs „Ugly Is Only Skin-Deep“.

Dominik Imseng: Ugly is only skin-deep

Dominik Imseng ist einer der wenigen Journalisten (und Werbetexter, by the way), die auch ausserhalb der Werbefachpresse populäre Artikel zu Themen aus der Werbewelt veröffentlichen, sei das in der NZZ am Sonntag, im Magazin oder anderen bekannten Schweizer Medien. Nun hat er ein Buch geschrieben über das wohl wichtigste Kapitel in der Geschichte der Werbung, den Turn zur kreativen Werbung. Der Werbung für den Volkswagen in den USA ab Ende der fünfziger Jahre bis in die frühen Siebziger.

Wir alle haben eine vage Vorstellung von den Werbeagenturen dieser Zeit, weil wir die Serie „Mad Men“ gesehen haben. Doch die historische Dimension der VW-Kampagne in den Vereinigten Staaten wird uns auch dort nur in Ansätzen bewusst gemacht. Dabei wirbelte Bernbachs VW-Kampagne die Werbewelt der Madison Avenue gehörig durcheinander:

Imsengs Buch „Ugly Is Only Skin-Deep“ ist nicht mehr und nicht weniger als die chronologische Geschichte dieser Werbekampagne. Denn die hatte es in sich. Da waren erst einmal die Fabriken in Deutschland, die nach dem Krieg Hitlers Idee von einem Auto für jedermann („Kraft-durch-Freude-Wagen“) wieder aufnahmen. Für den Juden Bernbach ergab sich mit der US-Lancierung des Beetle die einmalige Chance, seine neuen Ideen in grossem Stil anzuwenden. Und er packte sie, mit der Werbekampagne aller Werbekampagnen. So begab es sich, dass nur 12 Jahre nach Kriegsende das Auto der Nazis langsam und beständig zum Liebling der Amerikaner (und der Welt) werden konnte. Der VW Käfer entpuppte sich als kostengünstige, freche, prä-hippieske Alternative zu den grossen Schlitten aus Detroit. Die Verkaufszahlen stiegen bis in die Siebziger Jahre an.

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Dass die Entstehungsgeschichte einer Kampagne durchaus unterhaltsam zu lesen ist, beweist das vorliegende Buch. Imseng spürt dem neuen Stil der Kampagne nach, die den kleinen, alltäglichen Käfer als etwas Aussergewöhnliches präsentiert: mit Selbstironie, intelligenten Wortspielen, aus Kunst und Kommerz entlehnten Layoutideen und immer dem Primat der Idee. Imseng zeigt auch auf, wie sich Art Directoren und Texter immer wieder mal wegen Ideen in die Haare gerieten. Wie sich Bernbach anfangs gar nicht an vorderster Front für die Kampagne interessierte (aber natürlich als Wegbereiter des neuen Stils trotzdem das wichtigste Puzzleteil). Oder wie 1965 sogar eine Anzeige entstehen konnte, die weder ein Logo noch eine Headline hatte. Überaus spannend ist auch, dass DDB als erste Agentur vorbehaltlos Frauen und Menschen anderer Ethnien in kreativen Jobs beschäftigte. Und nicht zuletzt gibt uns das Buch einen schönen Einblick in die Kundenperspektive: etwa die Arroganz, mit der Detroit den Käfer erst wahrnahm, oder den Mut und das Engagement von VW’s „General Manager USA“, Carl H. Hahn, der aus Überzeugung all diese Verrücktheiten der Agentur mitmachte. Denn das bedeutete: es zu akzeptieren, dass sein Auto als hässlich, klein, unveränderlich präsentiert wurde.

Dominik Imseng: Ugly is only skin-deep

Bill Bernbach mochte anfangs nicht glauben, dass er mit seinem kreativen Ansatz, Werbung zu machen, die Werbelandschaft fundamental verändern würde. Als Art Director George Lois sich mit einer neu gegründeten Agentur selbstständig machte, riet ihm Bernbach noch ab: „You got to understand: There can’t be more than one creative agency in the world.“

Seit jenen Tagen hat nicht nur kreative Werbung fast jeden Winkel dieser Welt erobert, sondern auch die Kreativität als Sinnstifterin unserer Welt. Jeder Mensch, jede Branche muss heutzutage kreativ sein. Trägerin dieses kreativen Imperativs ist eine Berufsgruppe, die inzwischen viel breiter ist als die Werbebranche: eine quasisoziale Schicht hat sich herausgebildet, die „Creative Class“(Richard Florida, 2000) mit ihren oft tonangebenden Ideenproduktionen. Deren Ursprünge liegen – tatsächlich – in der Werbung, bei Bernbach. Deshalb zeigt Dominik Imsengs kleines Büchlein nicht nur ein kleines Stück Werbegeschichte auf, sondern ein grosses Stück Kultur- und eigentlich auch Wirtschaftsgeschichte.

Geschrieben übrigens in leicht verständlichem Englisch, weil das Interesse im deutschsprachigen Raum allein wohl nicht gross genug wäre. But you will be able to understand it. Und überhaupt: „Ugly Is Only Skin-Deep“ ist ein Must für Ad-People.

Buchautor, Journalist und Werbetexter: Dominik Imseng

dominik imseng

P.S.: auch die Schweiz erhält noch einen kleinen Part in dieser grossen Geschichte: der erste TV-Spot für VW, „Snow Plow“, wurde (eher zufällig) in Kanton Waadt gedreht. Und „Snow Plow“ ist nicht irgendein Spot, sondern wurde 1999 am Cannes Festival of Creativity zum besten Spot des Jahrtausends ausgezeichnet:

 


© Text: Michael Kathe

Foreword by Carl H. Hahn, Introduction by Amir Kassaei

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