Secret Deodorant: Stress-tested for Women
Gerüche kann man messen. Die Einheit dazu ist das Olf. Wenn wir Sport machen, belasten wir Luft und Mitmenschen schon mal mit 30 Olf, während ein 10-jähriges Kind mit um die 2 Olf die Nasen in der Umgebung noch kaum stört. Doch dann, ab der Pubertät, werden Gerüche für jeden Mensch zum Thema. Als Teenager werden Olfbelastungen oft zum Problem – zumindest in den westlichen Industrienationen. Vor allem Mädchen beschäftigen sich damit, und das vorzugsweise mit den Absonderungen des Achselschweisses.
Es gibt mehrere Arten von Ausdünstungen, die unter den Achseln auftreten können: körperliche Anstrengung, Stoffwechsel, Aussentemperatur. Aber auch Angst, Panik, Eingeschüchtert-Sein und ähnliches verbreitet unangenehme Düfte. Zumal ausgerechnet diese „psychischen“ Duftnoten vom Gegenüber oft als solche zugeordnet werden können. Diesen psychischen Gründen für Achselschweiss nimmt sich die neue Kampagne von Wieden + Kennedy Portland an, mit ihrer Kampagne für die Deodorants von Secret.
Zur Bekämpfung gleich der stärkeren Geruchsbildungssituationen haben sich (angeblich) die Forscher von Procter & Gamble gestürzt und Secret entwickelt. Ob das stimmt, sei dahin gestellt. Wahr ist aber, dass das 1956 lancierte Deodorant immer schon explizit für Frauen konzipiert wurde und das auch vor dem Hintergrund, dass Frauen einen genau so guten Geruchsschutz verdienen wie Männer. In den Siebziger Jahren stand die Marke denn auch unter dem Claim „Strong enough for a man, made for a woman“.
Wieden + Kennedy versetzen die Benutzerinnen von Secret-Deos nun gar in eine genderspezifische Situation (oder zumindest eine vermeintliche) mit der klaren Absicht, Frauen zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Zum einen im Privaten, also wenn es um Liebe und Beziehungen geht. Frauen können auch einmal diejenigen sein, die ihre Liebe zuerst gestehen – ganz simpel gezeigt an den drei Pünktchen auf dem Nachrichtendisplay des Smartphones:
Oder können junge Frauen auch gleich den Heiratsantrag machen?
Die Kampagne geht jedoch weiter und scheut sich nicht, die Themen anzusprechen, in denen politische Ungleichheit der Geschlechter herrscht. So erhalten auch in den USA Frauen nicht den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit. In diesem vielleicht besten aller bisherigen Spots kommt es zu einem amüsanten kleinen Anflug von Frauensolidarität:
Die neue Secret-Kampagne setze zwar bei den Leben junger Frauen an – was sind die Grenzen, an die Frauen heutzutage stossen? – erhält aber über dieses sehr weit gefasste Thema plötzlich eine politische Dimension. Erhält ein Spot über Lohngleichheit tatsächlich den Respekt der Zielgruppe, die er erreichen will? In diesem Fall schon – und die Agentur kann sich zugute schreiben, das moralische Gebot, dass auch Werbung eine kulturelle Aussage beinhaltet und die Gesellschaft prägt, berücksichtigt zu haben. Ganz im Sinne des Werbe-Altvaters Bill Bernbach: „All of us who professionally use the mass media are the shapers of society. We can vulgarize this society. We can brutalize it. Or we can help lift it onto a higher level.“ Das ist etwas, das Werbeagenturen aufgrund ihres Abhängigkeitsverhältnisses oft unter den Tisch kehren.
Das berücksichtigend griff Secret diesen Sommer mit einem Spot auch noch in die Diskussion um die Toiletten von Transsexuellen ein. In dieser Diskussion erhalten Zweifel und Angst(schweiss) eine besondere Bedeutung, denn hier wird am deutlichsten, wie direkt Ängste mit der Definition der eigenen sexuellen Identität verknüpft sind:
© Michael Kathe