Seiler's Werbeblog

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Michael Kathe: Seiler's Werbeblog

Michael Kathe «Michael rezensiert #11»

Schön, findet der vielbeschäftigte Kreative und Creative Director von Serviceplan weiterhin Zeit, Spots zu analysieren und rezensieren. Wir läuten bereits die elfte Runde ein und freuen uns über viele weitere spannende Rezensionen.

Ikea: Lion
Daddy ist ein fauler Sack, der sich am Wochenende höchstens einmal am Tag rasch aufrappelt und etwas mit den Kindern macht. So das konventionelle, diffamierende Männerklischee, auf dem Ikea, spezialisiert auf unkonventionelle Familienstories (Trennungskinder etc.) in diesem Spot aufbaut. Daddy ist ein fauler Sack, so wie ein Löwe ein fauler Sack ist – aber dieses eine Mal, an dem er sich am Wochenende aufrappelt, da rappelts richtig in der Kiste! Dieses eine Mal performt Daddy auch wie ein Löwe. Ob das bei der tollen Leistung trotzdem ein fall für die Männer-Gleichstellungsgruppe ist, bleibt dem Betrachter überlassen. Aber, als Grundregel: Wenn Klischees originell aufgebrochen werden, dann im Zweifelsfall für die Werbung.

Die ironisch-zittrige Stimme wie in alten TV-Spots (Heineken der Siebziger kommt einem da in den Sinn) macht aus der Geschichte erst eine Fabel, denn um so eine handelt es sich eigentlich: die Fabel vom Löwen, der sich gerne gut erholt, damit er seinen kurzen Energieschub wirklich zum Wohl der Menschen umsetzen kann. Das nennt sich dann „Relax into greatness“.


Little Caesars Pizza: #1 Dad
Statt den heutigen Emotionsidealen zu fröhnen, wird hier rücksichtslos mit den Gefühlen der Eltern gespielt. Liebesentzug! Ein Besserwisserkind entfernt dem uninformierten Vater, der mit zweitklassiger überteuerter Pizza ankommt, die Numero Uno auf dem Käppi. Denn es kommt auf die Details an, auch in Essensbereichen. Früher war ein Sweater nicht gleich ein Sweater – was für Eltern in den Siebzigern ein überschaubares Problem war, auf das sie aber aus Trotz nicht eingehen wollten -, heute ist ein Sneaker kein Turnschuh, und nicht mal eine Pizza ist gleich eine Pizza. Little Cesar behauptet, das Pizza-Geheimwissen zu besitzen. Ein kleiner Durchblick in die Welt schnell ändernder, online verhandelter Teenagertrends.

Hungry Jack’s Keeping it real
Seltsames geschieht, bis unser junger Held Patrick in einem Hungry Jacks zu seinem Whopper kommt. Die Story beschreibt die Flucht eines jungen Mannes aus einem Veggiecafé, weil er doch lieber bei Hungry Jack’s einen fetten Fleischburger essen will. Denn so ein Stück Fleisch zwischen zwei Buns ist eben das Echte. „Keep it real“, kommentiert der Abbinder.

Doch stop! Wer genau hinsieht, wird es etwas anders verstehen. Patrick sitzt nämlich in einem gesunden Restaurant, in dem er einen Smoothie und ein Minihäppchen-Brot mit etwas Speck („Burger with bacon“) auf einem Teller serviert erhält. Ein Resti also, das nicht weiss, ob es Nouvelle Cuisine oder Health Food sein soll – jedenfalls passen die Speckhäppchen und der Smoothie nicht zusammen, mit Verlaub. So richtig beginnt der Spuk aber, als ein infantiles Plastikwhoppertelefon (ein Witz des Nouvelle Cuisine-Personals?) klingelt: Patrick wird von einer dieser Horrorfilm- und „Ich hab sehr böse Dinge mit dir vor“-Stimme darauf hingewiesen, dass er vermutlich etwas anderes essen wolle. Als würde er gezwungen, hypnotisiert oder erpresst. „Are you really like them, Patrick? You need something more, something substantial.“ Patrick wird von der Stimme offenbar manipuliert, denn er beginnt wie ein Irrer durch die Strassen zu rennen, um einen Hungry Jack’s zu erreichen. Selbst auf einen Wagen voller Federkohl landet er einstweilen und springt weg. Kaum hat er Hungry Jacks’s erreicht, beisst er herzhaft in einen Whopper und fühlt er sich wie im siebten Frasshimmel. Weshalb ihn eine Stimme, die stets nur das Böse will, hinführte, bleibt im Dunkeln. Ausser sie würde sich darüber freuen, dass Patrick langfristige Gesundheitsschäden davontragen könnte.

Vieles ist also unklar in diesem Spot. Einzig die Tatsache, weshalb man in einem Hungry Jack’s einen Whopper kriegt, ist einfach erklärt: Hungry Jack’s ist die grosse australische Franchise-Kette von Burger King.


Gucci Fall/ Winter 2017: Star Trek (Glen Luchford)
Das Museum of Pop in Seattle widmet Star Trek eine Ausstellung und im Herbst startet die neue Star-Trek-Serie auf Netflix (mit Michelle Yeoh als Captain der aufgeklärtesten Raumschiffcrew, die jemals die Erdatmosphäre verliess). Es scheint, als sei nach dem nie aufhörenden Star Wars Hype nun endlich wieder Star Trek an der Reihe. Auf diese Trendiness baut der Werbespot für die nächste Gucci-Kollektion auf: Beamen, seltsame Lebensformen, wahnsinnige Kleider. Aber so wie Alessandro Michele’s Kollektionen für meinen Geschmack etwas zu grell für Gucci sind (werden sie Gucci die ersehnte Erneuerung bringen?), will auch dieser Werbefilm seine Kraft aus dem Grellen beziehen und spielt damit auf den Trashaspekt der ersten Star Trek-Serie an, um dann sofort in die billigen SciFi- und Monsterfilmästhetik und -thematik der Fünfziger abzurutschen. Nein, die Fünfziger und die Sechziger soll man nie mischen. Die 50ties SciFi-Szenen zitieren sofort die Angst vor dem klassisch-feindlichen Fremden, dessen Gefahren man mit durchgeknallter Kleidung begegnet. Keine aufklärerische „Der Weltraum, unendliche Weiten“-Reise einer Enterprise. Kleider als defensiver, partymässiger Fluchtpunkt in einer bösen, irrationalen Welt.

Diesel: Go with the flaw
Lange erwartet die erste Arbeit von Publicis Italien für Diesel. „Go with the flaw“ lässt sich so etwa als „Schliess dich dem Makel an“ und soll ein Statement gegen die Perfektion von Gesichtern und Körpern sein. Ein Statement für die Einzigartigkeit der Menschen. Dabei sind diese Leute längst keine Outcasts mehr, sondern wären wohl auch bei Karl Lagerfeld bestens aufgehoben.

Aber trotzdem: jemand schneidet Filmmaterial und schneidet damit als eigentlich Gott (der Dieselgott?) all diese Menschen zusammen. So, das sie schliesslich alle auf der halb gebauten Brücke Richtung Abgrund marschieren. Und immer „Je ne regrette rien“ von Edith Piaf. Und dann die Bilder der Lebenslust: mit Orangen nicht vorhandene Brüste simulieren, Zahnspange und am originellsten die schielende Billardspielerin im Lederdress. Danach wirds ein bisschen modelartiger. Aber die Absicht ist klar: Der anhaltenden Langeweile und Zurückhaltung in der Mode will Diesel, die exaltierte Marke für (fast) jeden, fast jeden animieren, trotz seiner Fehler und Ängste Kleider zu tragen. So einfach und monetär lässt sich wohl diese heroische Haltung „Go with the Flaw“ lesen.

© Text: Michael Kathe

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