Die 13. Ausgabe von «Michael rezensiert» startet gleich mit Trump. Das passt wie die Faust aufs Auge. Ob dieser die Rezensionen als Fake News betiteln würde, erfahren wir nie. Egal, Michaels Texte wären für Mr. President sowieso zu intellektuell. Vorhang auf für die Nummer 13:
CNN: Facts first.
Überdrüssig all der Anschuldigungen und Beleidigungen des Präsidenten, lancierte der Newschannel CNN im letzten Herbst eine Werbekampagne, die Trumps „Fake News“-Ruf ein „Facts first“ entgegen stellte. Und das auf eine dem Thema entsprechend geradezu subtile Art, unter souveräner Verwendung einer Metapher:
Niemand musste den Namen Trump droppen, jeder sah sofort: das ist die Antwort auf die primitive Hetzjagd des Präsidenten, einen Antwort, die einer seriösen Newsstation ansteht. Imagegewinn. Der Folgespot ironisierte dann die Lügen des Präsidenten auf ebenso raffinierte Art:
Jetzt nimmt CNN wieder die Wahrheit, den Apfel, auf (weshalb der Apfel? In der Bibel schon ist der Apfel die Frucht vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“). Und setzt die Pointe mit einem simplen und smarten Wortspiel, dessen Sinn jede und jeder verstehen, die das erste Jahr Präsidentschaft auch nur am Rande mitverfolgt haben. Gleichzeitig wagt sich der Sender mit diesem Spot auch auf die Äste hinaus, indem er behauptet, dass es einen Russland-Fall gibt, der sich tatsächlich bereits aus harten Fakten speist:
Under Armour: Lindsay Vonn, Unlike any.
Auch das eine Fortsetzung, auf die Olympiade hin lanciert: Lindsay Vonns Kampfgeist wird in poetischen Worten gepriesen. Nachdem beim ersten Mal Rapper Odissee dran war, kommt nun die Sudanesisch-Amerikanische Autorin Safia Elhillo zum Zug. obwohl Elhillo vornehmlich Poesie schreibt, speist sich ihr Gedicht zu Vonn vor allem aus pathetischen Worthülsen und Formalismen, leider. Denn die Bilder dazu sind atemberaubend:
Wer gehofft hatte, dass sich in Sportswear-Werbespots eine Nische zur Wiederbelebung von modernen Gedichten auftun würde, wird wohl etwas enttäuscht. „Under Armour“ würde in dieser durchaus coolen Kampagne wohl niemals ein dadistisches Poem oder konkrete Poesie (z.B. Ernst Jandl) zulassen. Etwas weiter gehen könnte man allerdings schon. Am sprachlich interessantesten ist übrigens das Gedicht von Multi-(Sprach-)Talent Saul Williams zu Ballett-Tänzerin Misty Copland (hier langweilen allerdings die Bilder etwas mehr):
Geico Messages
Geicos neue „Störer“-Pre-Roll-Ads erreichen bei weitem nicht das Level früherer Pre-Rolls, doch die reine Erklärung dessen, was Werbung tut, nämlich eine Hauptbotschaft transportieren und vielleicht noch eine zweite, und – ganz wichtig – am Ende des Spots ein Logo hängen, das man sich merken sollte, ist so voller selbstreflexiver Ironie und unterhaltend und trotzdem repetitiv, dass einem all das richtiggehend ins Hirn geprügelt oder verführt wird. Verführung oder Aufdringlichkeit? Es mag jeder für sich entscheiden, wie das funktioniert – aber es funktioniert:
(Es gibt übrigens noch 4 weitere Spots in dem Stil, doch so viel Geico-Messages möchte man dann doch nicht schlucken.)
Old Spice: Red Sweater.
Das Absurditätslevel von Old Spice lässt sich auch in einer Geschichte vermitteln. Allerdings stehen in der vorliegenden Geschichte etwas weniger Eugene Ionesco oder Samuel Beckett Pate als die Surrealisten und ihre Beschäftigung mit Träumen. Denn so absurd diese Story auch daher kommt, sie funktioniert nach Prinzipien der Freudschen Traumarbeit (wie so vieles Surreales).
Kurz aufgeschlüsselt: Die Frau hat einen roten Pullover, der sie an ihren Traummann erinnert. Pullover und der Geruch daran sind sehr sexualisierte Marker, klare Verdichtungen des sexuellen Begehrens. Zu stark wohl, weshalb die Traumarbeit eine weitere Verschleierung des Sexuellen braucht (die Freudsche „Verschiebung“) – die findet die Frau im Hund, den sie „Old Spice“ tauft (natürlich ist ein Hund auch schnell mal eine Metapher für das Tierische im Mann, s. Snoop Doggy Dogg). Für die verzweifelte Suche nach dem Hund hilft ihr ein ganzes Städtchen junger Frauen (ironischerweise nicht eine ältere Frau, die von oben aus dem Fenster ruft: Mutterfigur und Über-Ich, die warnt: So ein Hund / Mann zu halten braucht viel Arbeit.).
Schliesslich findet die totale Wunscherfüllung statt, denn das ist Werbung, nicht Traum. Mann, Pulli, Geruch, Hund – alle zusammen. Dass sie ihren Old-Spice-Mann zum Schnecken essen einlädt, ist nicht einfach ein französisches Klischee, sondern nun eine weibliche sexuelle Metapher. Und am Ende die wundervolle Doppeldeutigkeit „We make scents“, was man auch als „We make sense“ verstehen kann. Nochmal Traumarbeit: der Brand Old Spice versteckt damit, dass er eigentlich „Sinn“ produziert.
Ach, ja, und zum Produktenamen „Never ending captain“ gäbs bestimmt auch noch einiges zu sagen: