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Michael Kathe: Seiler's Werbeblog

Michael Kathe «Michael rezensiert #16»

In der neuen Runde «Michael rezensiert» erfahren Sie was Amazon mit Leben retten zu tun hat, was es mit der kleinen Hafenrundfahrt auf sich hat und warum Sie sich Bonnie Tylers „Total eclipse of the heart“ wieder einmal antun müssen. Wie immer ist die Bandbreite an Michaels Rezensionen äusserst vielfältig. Aber sehen Sie gleich selbst.

**Amazon Prime
Von Amazon Prime kommen vor allem aus England immer wieder ganz grossartige Spots. Mit dem Claim „Great Shows stay with you“ schafft es Droga 5 UK auf unglaublich vielseitige Weise immer wieder, eine Brücke herzustellen zwischen den Serien des Streaming Dienstes und dem Alltag der Menschen, die sie sehen. Ganz gross war das im letztjährigen“Vikings“-Spot. Im aktuellen Spot nun wird radial vorexerziert, dass eine gute Serie auch in der Realität Gutes tun kann: Leben retten.

**Animallife: Karma
Ein Mann will durch den Zoll, doch der Drogenhund gibt unmissverständlich an. Die Zöllner finden nichts, der Hund bellt weiter, die Zöllner suchen weiter, der Mann ist verstört. Bis es schliesslich zur rektalen Leibesvisitation kommt. In dem Moment schwant dem Mann etwas. Mehr sei erst einmal nicht verraten:


Für einmal wird in einem Werbespot nicht nur einem Elefanten ein Erinnerungsvermögen zugestanden, sondern auch einem Hund. An einem Spot wie diesem zeigt sich, wie relativ neue Erkenntnisse über Tiere langsam Common Sense werden: Tiere haben Empfindungen, Gedächtnis, Denkvermögen und Sprache. Mit der Konsequenz, dass Menschen ihr anthropozentirisches Weltbild überdenken sollten. Wie der Mann, der nur mit einer „kleinen Hafenrundfahrt“ (Ärztejargon für Rektaluntersuchung) durch den Zoll kam.

*Lacoste: Couple
Zwischen zwei Menschen tut sich ein Graben auf: Metaphern wie diese auf originelle Art zu reaktivieren und umzusetzen ist eine der Möglichkeiten guter Werbung. Aus einem Klischee etwas nie Gesehenes zu machen. Der neue Spot für Lacoste ist so einer: grosses Kino (mit grossem Budget), etwas lang vielleicht, aber eine sehr schnell verständliche und ziemlich ungesehene Art, die Kluft zwischen zwei Menschen darzustellen. Man streitet sich, bereut, leidet, aber die Gräben werden immer tiefer.

Oder doch nicht? Wie ein unglaubwürdiges Happy End wirkt es, dass die zwei wieder zusammenfinden – und die Musik der Piaf erlaubt es, dem menschlichen Drama ein romantisches Mäntelchen zu verpassen. Doch die hohen Scheidungsraten sprechen eine andere Sprache: wenn Gräben zu tief sind, trennen sich Menschen heutzutage.

Schliesslich beginnt das inhaltliche Gefüge des Spots dann mit dem Claim so richtig zu wackeln: „Life is a beautiful sport.“ verleiht dem grossen emotionalen Drama, das sich gerade vor unseren Augen abgespielt hat, eine Entspanntheit, die dem Spot jegliche Relevanz und Brisanz nimmt. Werbung, eben.

*Sodastream: Time to say goodbye.
Vor drei Jahren war es ein durchaus cleverer Schachzug von Sodastream, die öffentliche Denunziation eines Mannes, der Wasser in Plastikflaschen kauft, mit einer der berühmtesten Szenen aus „Game of Thrones“ zu verbinden, mit Cerseis Walk of Atonement (S5 E10). Sodastreams Spot „Walk of Shame“ konnte man zwar als Blosstellung eines Plastikflaschen-Wassertrinkers übermässig moralisierend empfinden, doch in der Ausführung hatte der Spot seinen Reiz: Priesterin Septa (Hannah Waddingham) folgt in ihrer mittelalterlichen Kluft dem eingeschüchterten jungen Mann durch die Strassen einer modernen Grossstadt, „Shame“ schreiend.

Zur letzten „Game of Thrones“-Staffel (die allerletzte Folge lief letzten Montag) versucht Sodastream mit einer kleinen Riege von GoT-Stars aus der zweiten Reihe noch einmal einen Schulterschluss mit der Erfolgsserie: „Time to say goodbye.“ Und zwar nicht nur von der Serie, sondern auch von Plastikflaschen. Dass sich 2 der 3 GoT-Protagonisten längst aus der Serie verabschiedet haben, mag noch ein unbedeutender Fehler eines Spots sein, der Angst hat, seine Idee schön auszugestalten – und ehe man sichs versieht, wird aus „The Mountain“ plötzlich der Strongman und Schauspieler Thor Bjornsson, der sich von seiner Mutter sagen lässt, dass kohlensäurehaltiges Wasser von Sodastream kommen muss. Denunziation und Autoritätskomplexe: Sodastreams emotionale Strategien gehen seltsame Wege.

**Muttertag KFC
Vielleicht ist es wieder einmal entspannend, keine emotional-kontroverse Werbung zu sehen. Werbung, die nicht an Emotionen aus dem Unterbewusstsein andocken will, sondern oberflächliche Freude vermittelt. Im Gegensatz zu etwa Jung von Matts Edeka-Muttertagselegie muss man sich bei KFC’s Muttertagsspot nicht darum streiten, ob da evolutionsbiologistische Geschlechterrollen inkl. rückschrittlichem Männerbild oder ein ironischer Blick auf die immer noch unzulänglichen Geschlechterverhältnisse der Gegenwart vermittelt werden. Bei KFC soll Muttertag ein rein inhaltsloses Vergnügen für Mutti sein: Colonel Sanders zeigt mit seinen Chickendales Männerhaut, Sixpacks, weisse Unterhosen -und nicht zuletzt KFC-Produkte.

Niemand hinterfragt dieses Vergnügen. War der feministische Wert der Chippendales nach ihrer Gründung 1979 durchaus umstritten, so bieten sie nach gefühlten 100 Männerstrip-Filmszenen die Möglichkeit, dass Frauen in grossen Gruppen auch im Alter noch kreischen dürfen wie Teenager.

***Dos Equis: Hit Single
Man muss Bonnie Tylers „Total eclipse of the heart“ nicht mögen, um die Qualitäten des Songs anzuerkennen. Und wie hier die Lyrics einer gebrochenen Seele eine humoristische Brechung erfahren, bietet wohl mehr Unterhaltung als die Chickendales.

Den 80er Jahre Retro-Spot in der Disco mit den klischierten Frisuren und den unzeitgemässen Fast-Food-Lyrics schaut man sich einfach noch einmal und noch einmal an:

©Text: Michael Kathe

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