Es freut mich sehr, dass mit Michael Kathe ein ausgewiesener Kreativer und ADC-Mitglied in Zukunft in regelmässigen Abständen auf Seiler’s Werbeblog Spots rezensiert. Michael war einer der Ersten, welcher nach dem Start von meinem Blog seine Lieblings-Spots (hier zu lesen) vorgestellt hat. Da mir seine Beschreibungen, unter anderem auch der Spot über die heissen Dackel (hier zu lesen), derart gut gefallen, freut es mich sehr, dass der Creative Director von Havas dies in Zukunft vermehrt machen wird. Die Spots, welche ihm besonders gut gefallen, kriegen Sterne. Drei Sterne sind das Maximum. Somit Vorhang auf für Michaels Rezensionen:
*** OVK (Parents of road victims)
Der geradezu in den letzten Jahren im Überfluss umgesetzten warnenden Werbebotschaft „Don’t text and drive“ wird in diesem belgischen Spot neue Dramatik verliehen. Eine Frau fährt mit einem Kleinkind los, das Handy klingelt. Schnitt: Seltsames Bild des Jungen. Schnitt: die Frau sitzt am Steuer und weint. In der Folge sehen wir eine immer ältere Frau fahren, leidend, weinend, der Junge sitzt immer gleich alt hinten im Auto und geradezu zynisch-traurig werden die Szenen begleitet von Alphavilles „Forever young“. Er ist nie älter geworden, sondern sitzt als fleischgebliebener Geist all die Jahre hinten im Auto. Forever young.
Filmisch grandios an diesem 90-Sekunden Spot für die Organisation von Eltern von Strassenopfern OVK, ist, dass wir den Unfall weder sehen noch hören. Es ist ein fliessender Übergang in den Tod des Kindes – und das Kind bleibt auch als totes Kind präsent. Diese Darstellung orientiert sich gekonnt an den Spielfilm-Vorbildern „Don’t look now“ („Wenn die Gondeln Trauer tragen“, 1973) und „The sixth sense“ („Der sechste Sinn“ 1999), um ein psychisches Grauen zu schaffen, das durchaus funktioniert, und setzt einen Song auf verblüffende Weise so ein, dass die Refrainzeile einen neunen Sinn erhält und vor allem aber auch den Film erst richtig klar macht.
Samsung
Der neue Spot zur Lancierung des Galaxy S7 ist ein Vignettenspot, der zweierlei auf einmal schafft. Er zeigt zum einen eine History von Samsung (die man der Firma so gar nicht zugetraut hätte), die mit den grossen Handy-„Knochen“ beginnt und in die Breite geht. Das ganze Know-how von Samsung wird nun auch anhand all der anderen elektronischen Geräte gezeigt, die Samsung vor Jahren ebenfalls mitprägte (z.B. lugen die ersten mp3-Player hinter Schallplatten und CD’s hervor). Als zweites werden auch die USP’s aufgezeigt, die das aktuelle Galaxy bietet – inklusive einer Reise auf den Everest und einem Wurf ins Meereswasser.
Würde dazu nicht angesagte Rockmusik laufen, „Figure it out“ von Royal Blood, bliebe der Spot überaus leblos. Und irgendwie war damals „Start it up“ der Stones für Windows 98 besser platziert.
** Android: Monotune
Ein Vergleichsspot, der in seiner Anordnung etwas stupid wirkt, aber aufregend ausgeführt ist. Ein Flügel hat 88 verschiedene Tasten, folglich 88 Noten. Nun wird einem normalen Flügel ein zweiter gegenüber gestellt, an dem alle 88 Tasten auf dieselbe Note gestimmt wurde. Legt der professionelle Pianist Ji los und demonstriert seine Virtuosität, erklingt das beim normalen Piano fantastisch und auf dem zweiten, modifizierten Piano – trotz Virtuosität – ziemlich langweilig. Schöner Spot – wenngleich hier nicht das „geniale“ oder „kreative“ Klavierspiel zur Metapher erhoben wird, sondern die reine Virtuosität klassischer Tonleitern, die Fugenklimperei. Sie wird übersetzt in die Virtuosität des Technologischen.
Mit dem hochklassigen Pianospiel und dem Android-Claim „be together. not the same“ erhält eine vergleichsweise simple Idee plötzlich eine ungeahnte Grösse. (Wobei man sich über den Claim selber, bzw. seinen Bezug zu Android, streiten mag …
© Text: Michael Kathe
© Bild: Daniel Kobi