Andreas Hammer ist Leiter Unternehmenskommunikation bei KPMG AG, einer der führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften der Schweiz. Vor seiner Zeit bei KPMG arbeitete der Kommunikationsprofi als PR-Berater bei international tätigen PR-Agenturen in Zürich und Zug sowie im Bereich Public Affairs von UBS. Während zwei Jahren amtete er als Geschäftsführer der FDP des Kantons Zürich, wobei er nebst Initiativprojekten auch National- und Ständeratswahlen sowie Regierungs- und Kantonsratswahlen mitverantwortete.
1. Jeder kennt KPMG als eine der weltweiten «Big 4». Nur wenige wissen jedoch, wofür die vier Buchstaben stehen. Kannst du uns sagen, was eure Kernkompetenzen sind und in welchen Marktsegmenten ihr euch bewegt?
Die vier Buchstaben stehen für die Nachnamen von Piet Klynveld, William Peat, James Marwick und Reinhard Gördeler. Die vier Gründerväter haben im vergangenen Jahrhundert wesentlich dazu beigetragen, dass KPMG weltweit zu einer der führenden Prüfungs- und Beratungsgesellschaften geworden ist.
Unsere Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechts- und Unternehmensberatung. Dort unterstützen unsere Spezialisten Kunden mit multidisziplinären Dienstleistungen bei der Bewältigung teils sehr komplexer Probleme. Unsere Arbeit fokussiert hauptsächlich auf international wie national tätige Unternehmenskunden sowie auf vermögende Privatkunden.
2. KPMG deckt sehr viele Branchen ab. Das fängt alphabetisch bei der Automobilindustrie an und hört bei den Versicherungen auf. Gibt es Branchen, welche ihr nicht abdeckt? Was sind die Gründe dafür?
Wir decken tatsächlich praktisch alle Branchen ab, die in der Schweizer Volkswirtschaft Gewicht haben. Im Zentrum steht der Finanzbereich mit Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltern. Dieser macht über 40 Prozent unseres Umsatzes aus. Aber auch die Bereiche Infrastrukturen, öffentliche Hand und Gesundheitswesen sowie die produzierende Industrie haben wesentlichen Anteil an unserem Markterfolg, ebenso der Konsumgüterbereich und die Energiewirtschaft.
3. Du bist Head of Corporate Communications bei KPMG Schweiz. Branchenfremde Personen vergleichen Kommunikation oft mit Werbung, was natürlich falsch ist. Was beinhaltet deine berufliche Aktivität tatsächlich, und welche Bereiche gehören zu deinem Aufgabengebiet?
Mit Blick nach aussen besteht meine Aufgabe im Kern darin, die Reputation von KPMG und seinen Experten zu stärken, das Profil bezüglich Kompetenzen zu schärfen und die Visibilität gezielt zu erhöhen. Dazu arbeiten wir systematisch mit allen wichtigen Publikums-, Wirtschafts- und Fachmedien zusammen, und wir sind auch in den sozialen Medien sehr aktiv. Zudem unterhalten wir enge Beziehungen mit Meinungsführern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft.
Mit Blick nach innen besteht meine Aufgabe ebenfalls darin, eine glaubwürdige Kommunikation sicherzustellen, wobei der internen Kommunikation auch eine zentrale Aufgabe im Sinne der Führungsunterstützung zukommt.
4. KPMG ist ein globales Netzwerk und gehört zu den «Big 4» der internationalen Prüfungsgesellschaften. Tauschst du dich mit deinen internationalen Kollegen aus oder arbeitet jede Landesgesellschaft autonom?
Wir arbeiten eng mit unserem europäischen und globalen Netzwerk zusammen. Insbesondere mit Blick auf das Management wichtiger Wachstums- und Marktthemen wie Cyber Security oder internationale Regulierungen, aber natürlich auch, wenn es um den Umgang mit kritischen Issues geht.
Erfolgreiche Kommunikationsarbeit hierzulande bedingt aber insbesondere die Kenntnis schweizerischer, kantonaler und lokaler Eigenheiten und den Aufbau nationaler Netzwerke, weshalb bei uns etwa in der Medienarbeit wesentliche Kompetenzen entlang den nationalen Grenzen verlaufen.
5. Du selber bist mit einer Französin verheiratet und ihr geniesst gerne die Zeit in Frankreich. Inwiefern unterscheiden sich die Franzosen und Schweizer in der Kommunikation?
Wenngleich man sich vor Verallgemeinerungen hüten sollte, so gibt es zwischen der Schweiz – ich spreche vor allem von der Deutschschweiz – und Frankreich natürlich fundamentale kulturelle Unterschiede. Diese hinterlassen ihre Spuren in der Gesellschaft wie auch in der Politik. Im persönlichen Umgang sind Schweizer bekannterweise eher zurückhaltend, wogegen Franzosen mitteilungsfreudiger sind und rascher auch Privates preisgeben. Schweizer sind meist an Lösungen interessiert, favorisieren das Pragmatische und können sehr direkt sein, wogegen Franzosen auch Grundsätzliches diskutieren wollen, gerne an Prinzipien festhalten und ab und zu einen diplomatischen Umweg machen.
Die unterschiedlichen Mentalitäten sind sehr stark auch in der politischen Kommunikation spürbar. Hier zeigt sich, dass die Schweiz immer eine föderalistische Republik war, Frankreich dagegen eine zentral organisierte Monarchie. Was bei uns sehr dezentral und im «Bottom-up»-System organisiert ist, funktioniert in Frankreich fast ausschliesslich über Paris und «Top-down». In der Schweiz haben meist auch die Wirtschaft und das Private Vorrang vor dem Staat, in Frankreich erklingt bei praktisch jedem ökonomischen oder gesellschaftlichen Problem der Ruf nach dem Staat.
Die Schweiz ist allerdings auf bestem Weg, sich diesbezüglich den internationalen Gepflogenheiten anzugleichen. Teilweise macht dies Sinn, etwa bei der Koordination von wichtigen Fragen der Sicherheit, Migration oder Energie. Wir sollten uns allerdings davor hüten, das Heil in allen möglichen Fragen in staatlichen Zusatzaktivitäten zu suchen. Das gilt insbesondere auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten, die wir in regelmässigen Zyklen erleben.
6. PR findet meistens im Hintergrund statt. Strategien und Konzepte gelangen nicht an die Öffentlichkeit. Was zeichnet gute PR aus?
Konzeption und Planung guter PR finden tatsächlich im Hintergrund statt, immerhin handelt es sich dabei ja um eine Art «Betriebsgeheimnis in Beziehungsfragen». Und Public Relations sind eben in erster Linie Beziehungen, die man systematisch entwickelt und pflegt. Die Massnahmen und Resultate sind aber sehr wohl öffentlich: Wer Faktenblätter und Argumentarien entwickelt, Medienkonferenzen und Politikertreffen organisiert, in wichtigen Netzwerken aktiv ist oder Newsletter und Blogs publiziert, kann dies nicht im stillen Kämmerlein tun – und will dies auch nicht: PR-Massnahmen bezwecken ja gezielten Informationsaustausch, Einstellungs- und Verhaltensänderungen.
7. Du warst zwei Jahre lang Geschäftsführer der FDP des Kantons Zürich. Wie wichtig findest du die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik?
Sie ist von höchster Wichtigkeit. Ganz speziell, da unser Land in weiten Teilen auf dem Milizsystem aufgebaut ist, das heisst auf dem ehrenamtlichen Engagement seiner Bürger. Das bedingt einen engen Informationsfluss zwischen Wirtschaft und Politik. Andernfalls ist die Politik nicht in der Lage, für teils sehr komplexe Probleme kompetente Rahmenbedingungen und Lösungen zu entwickeln. Die Bürger und Politiker wiederum müssen über den nötigen Sachverstand verfügen, da sie oft weitreichende Entscheide fällen können. Bürger, Politik und Wirtschaft tun also gut daran, sich gut zu verstehen, andernfalls gerät das System rasch aus dem Gleichgewicht.
Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik hat in den letzten 20 Jahren, auch durch die Globalisierung, stark gelitten: Uneinsichtige Wirtschaftsakteure haben vergessen, in wessen Dienst sie eigentlich stehen und welche direktdemokratischen Mittel die Bürger haben. Auch das persönliche Engagement in Parteien, Verbänden und Vereinen hat merklich abgenommen, in der Folge natürlich auch die Kenntnis des politischen Erfolgsmodells Schweiz.
Umgekehrt machen es sich viele Bürger allzu einfach, sie setzen lieber «Denkzettel», anstatt sich mit der teils komplexen wirtschaftlichen Realität auseinanderzusetzen. Auch die Medien sind gelegentlich überfordert und fördern die Empörungsbewirtschaftung kräftig. Zielführend wäre die Rückkehr zu einem viel stärkeren, persönlichen politischen Engagement von Wirtschaftsvertretern. Andernfalls tappt die Schweiz immer häufiger in die Populismusfalle von linken und rechten Konservativen – oder aber ist den Ideen und politischen Vorstellungen der Verwaltung ausgeliefert.
8. Gibt es Personen oder Förderer, welche dich nachhaltig geprägt haben?
Was mein öffentliches Engagement angeht, so haben mich sicher meine Eltern stark beeinflusst. Mein Vater war beruflich wie militärisch sehr engagiert, meine Mutter ist dies im humanitären Bereich bis heute. Mein Gesellschaftsbild verdanke ich ganz wesentlich meiner wunderbaren Frau, einer starken und modernen Persönlichkeit, die es seit bald 20 Jahren versteht, ein enormes berufliches und familiäres Engagement unter einen Hut zu bringen. Als Französin hat sie es auch verstanden, mein Weltbild um eine höchst wertvolle Aussensicht zu ergänzen. Ich nenne diese persönlichen «Förderer» ganz bewusst, da die eigenen Wertvorstellungen und Erfahrungen ganz wesentlichen Einfluss auf die Wirkungsweise von Kommunikationsprofis haben.
Selbstredend haben mich weitere Persönlichkeiten gefördert, etwa Prof. Kurt R. Spillmann im Umgang mit wissenschaftlichen Fragestellungen, Peter P. Knobel in der systematischen Sicht auf kommunikative Herausforderungen oder Nationalrätin Doris Fiala im vertieften Verständnis der praktischen Wirkungsweise der Politik.
9. Welche drei Bücher mit dem Inhalt Kommunikation oder PR kannst du uns empfehlen? Was sind die Gründe dafür?
Anthony Davis: «Mastering Public Relations». Es bietet eine gute Übersicht über die verschiedenen Kommunikationsdisziplinen.
Siegfried Schick: «Interne Unternehmenskommunikation». Es erklärt den Stellenwert der internen Kommunikation als strategisches Führungsinstrument.
Vor allem aber: Tony Buzan: «Kopftraining». Dieses kurze Meisterwerk hat die Basis für die Mindmapping-Technik gelegt – eine Art «Relativitätstheorie der Kommunikation».
© Yves Seiler