Seiler's Werbeblog

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Figaro-von-Brett-Easton-Ellis

Berühmte Regisseure «Steve McQueen vs. Brett Easton Ellis»

Ein Oscarregisseur und ein Skandalautor drehen Werbespots in 2016.
Immer wieder gewinnt die Werbewelt namhafte Filmregisseure für TV-Spot-Projekte und verleiht sich so zusätzlichen Glamour. Für die Regisseure selber ist das oft einfach ein willkommener Nebenverdienst – und manchmal kommt etwas mehr dazu. Manche sehen in einem Werbespot die Möglichkeit, kraftvoll und kurz etwas auf andere Art ein Millionenpublikum zu bewegen. Der vielleicht berühmteste TV-Spot ever stammt denn auch vom grossen Ridley Scott: Sein 1984er Superbowl-Spot für Apple Macintosh. Aber auch Oscargewinner Alejanadro Gonzales Inarritus Spot für Nike, „Write the future“, holte 2011 völlig zurecht den Grand Prix in Cannes. Unvergessen auch der sehr weirde Spot für Sony Playstation von David Lynch oder Sergio Leones Renault-Spot aus dem Jahr 1985.

Zwei Spots aus diesem Jahr seien hier vorgestellt: von Regisseur Steve McQueen für „Mr Burberry“ und von Starautor und Halb-Regisseur Brett Easton Ellis für die Pariser Oper.

Burberry von Steve McQueen (Regisseur von „12 years a slave“)
Was sich Regisseur und Oscarpreisträger Steve McQueen („12 years a slave“) für das Männerpafüm „Mr Burberry“ ausgedacht hat, wird getragen vom grossartigen Song „I won’t complain“ von Benjamin Clementine. Der Rest ist schön gefilmte, glatte Oberfläche: Eine junger Typ (jung, britisch, burberry) und eine junge Frau (britisch im Sinne von katemossisch) lieben sich in einem feudalen, dunklen Appartement hoch über der Regents Street (mit der wohl ultimativ teuersten Terrasse der Welt), sie verlassen das Appartement mehrmals zusammen, liegen halb angezogen auf dem Bett, er badet auch mal, und so weiter.

Nur die Musik verrät uns, dass unter der Oberfläche der Jeunesse Dorée eine Story melodramatischer Herzen abläuft, dass da eine grosse innere Aufgewühltheit herrscht, die wir aber nicht sehen.

Was wir sehen ist lediglich die glatte, schöne Jugend, die quasi gebetsmühlengospelhaft ihren Reichtum als Vorwand zitiert, um sich ihrer Sinnsuche nicht zu stellen. Denn verdrängter Herzschmerz fungiert hier auch als Metapher für Sinnsuche in der leeren, luxusgetränkten Welt. „I can’t complain“ – ich kann mich ja nicht beklagen – dient da als Vorwand, Legitimation und vielmehr noch als Grund, weshalb man keine Schuldgefühle haben darf: denn bei dem Reichtum schickt es sich nicht, unglücklich zu sein oder seinem Unglück auf die Spur zu kommen. Also machen die Jet Set-Kids, was sie gelernt haben. Den anderen vorleben, wie schön ein Leben in Saus, Braus und mit Mr. Burberry-Parfum ist. Ein hinterhältig und subtil subversiver Spot von Herrn McQueen.

„Figaro“ von Brett Easton Ellis für die Pariser Oper
Eine weitere kurze Regiearbeit des oft genialen Skandalautors und begnadet schreibenden Modern American Novelist Brett Easton Ellis („Less than Zero“, „American Psycho“), die er in den letzten Jahren selber ausgeführt hat. Ellis scheint einen immer grösseren Drang zum bewegten Bild hin zu haben. Nach dem brilliant-deprimierden Drehbuch zu Paul Schraders „The Canyons“ schob er gleich noch ein paar clevere Scripts für Musikvideos (Dum Dum Girls, Placebo) nach – und für Werbung. Die vierminütige Story für die Pariser Oper erinnert in gewisser Weise an den alten, völlig unterschätzten und vergessenen Film von Prince, „Under the Cherry Moon“.

Überraschend positiv für Ellis, aber immer noch mit übertriebener Exzessivität des Lebens spielend, geht es in „Figaro“ darum, einfach zu leben, sich zu spüren, sich dem Sex und der Gewalt auszusetzen – erst dann kann der Opernsänger besser singen. Echter. Nachdem unser Protagonist anfangs viel zu verhalten singt, geht er in eine Bar, trinkt zwei Gläschen, reisst eine Frau auf, die er im WC poppt, um dann mit ihrem Freund und vielen Freunden und Freundinnen eine Privatparty in einem Zuhause zu feiern, eine wilde Sexorgie, ein Überfall, Waffendrohungen – bis unser Held (der er nun ist) im blutbeschmierten Wifebeater-Shirt zur Audition zurückkehrt und wie ein Gott singt – um dann gleich noch die Assistentin zu küssen.

Ellis tischt uns hier eine sehr „authentische“ Idee von Kunst auf: Ein Leben als wilde Orgie sei ein Katalysator für grosse Kunst, bzw. verfeinere grosse Kunst.

Das kommt ausgerechnet von Ellis, der sonst doch das unechte, abgekarterte, mit geheimem Plan versehene Leben vorzog, Drogen und Sex immer als Verzweiflung oder Langeweile am Leben ins Spiel brachte und genau wegen seiner leidenschaftslosen Abgeklärtheit Lebens so brillant war.

Ausgerechnet er verbreitet hier für einen Werbespot einen platten Erotisierungsmythos: Die Oper ist voller Leben und darum so sexy. Naja.

© Text: Michael Kathe

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