Seiler's Werbeblog

Wir schreiben über Werbung

Bruno Widmer «Werbelegende»

Bruno Widmer wurde am 10. Mai 1941 in Zürich geboren und lebt heute noch in dieser Stadt. Nach dem Diplom an der Kantonalen Handelsschule in Zürich (1960) durchlief er eine 3-jährige schulische und praktische Ausbildung im In- und Ausland.
1964 trat er in die Werbeagentur Advico AG in Gockhausen ein, wurde 1972 Mitglied der Geschäftsleitung und 1978 deren Managing Director und Mitbesitzer. Von 1989 bis 1998 war er VR-Präsident und CEO von Advico Young & Rubicam, sowie der Vorsitzende der AY&R-Gruppe. 1998 wurde er zum Chairman und CEO von Young & Rubicam Europe, Middle East & Africa mit Sitz in London ernannt. 2001 beendete er seine Karriere in der Werbung. Er übt seither eine vielseitige Tätigkeit als Unternehmer und Verwaltungsrat aus.

1. Sie waren erfolgreicher Werber und mit Preisen dekorierter Weinproduzent. Ist ein edler Wein mit guter Werbung zu vergleichen?
Ja und nein. Ja, weil herausragende Werbung wie edler Wein volles Engagement, kompromisslosen Einsatz und Leidenschaft verlangt.
Nein, weil gute Werbung auf einer Idee beruht, die überraschend umgesetzt wird. Die Ideenfindung ist ein kreativer Prozess der manchmal kurz aber manchmal auch sehr lange dauern kann. Einen tollen Wein herzustellen, ist immer ein langer Weg, wo alles zusammenpassen und schlussendlich auch noch die Natur mitspielen muss.

2. Sie praktizierten als erster Schweizer Werber die strategische Planung. Heute ist die strategische Arbeit Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Kampagne. Was war Ihr Grundgedanke als Sie das amerikanische Modell für die Schweiz adaptierten?
Schon damals erkannten wir, dass herausragende Kommunikation zwingend ein strategisches Fundament erfordert. Ich weiss nicht, ob wir in der Schweiz die ersten waren. Gute Werber haben sich schon lange strategische Überlegungen zu ihren Kampagnen gemacht. Wir haben vielleicht den Prozess als erste institutionalisiert und Leute angestellt, die sich auf diesen Prozess fokussierten. Unser Modell richtete sich eher nach der Arbeitsweise der besten englischen Agenturen als der amerikanischen.

3. Kunden wie Kuoni, Migros, Hakle, SBG (heute UBS), Swissair und viele mehr gehörten zu Ihrem Portfolio. Durch Ihre aussergewöhnlichen Leistungen wurden Sie 1999 zum Werber des Jahres gekürt. Wie wichtig war Ihnen diese Anerkennung?
Ich mache mir persönlich nicht allzu viel aus Auszeichnungen. Aber natürlich hat mich dieser Titel sehr gefreut, den ich übrigens nicht direkt entgegennehmen konnte. Die Situation war etwas speziell: ich war damals seit kürzerer Zeit Chairman und CEO von Young&Rubicam EMEA (Europe, Africa and Middle East) und arbeitete von London aus. Und weil am Tag der Auszeichnung ein grosser Pitch in London stattfand, war ich nur auf der Leinwand präsent. Den Pitch haben wir übrigens gewonnen.

4. Als junger Verkäufer war ich beeindruckt als ich zum ersten Mal die spezielle Architektur (Architekten Brennenstuhl und Neuenschwander) in Gockhausen bestaunen durfte. Was war das Konzept hinter diesem doch einzigartigen Gebäude?
In der Tat, es war ein spezieller Bau mit einer einzigartigen Atmosphäre. Der älteste Teil des Gebäudes stammt aus den späten 40-er Jahren und weitere Teile kamen in den 50-er Jahren dazu – vor meinem Eintritt in die Agentur l964. Mit meinem damaligen Partner Ruedi Külling ergänzten wir den Bau um einen weiteren Teil. Die Idee bei diesem Gebäude war, eine Art Campus zu schaffen, auf dem man sich wohl fühlte. Auf Türen wurde schon damals weitgehend verzichtet. Es war für mich und viele, viele andere in all diesen Jahren ein toller und inspirierender Arbeitsort.

5. Sie waren in der grössten Schweizer Agentur Chef von 130 Mitarbeitern (34 Jahre Advico). Wie schwierig war es derart viele kreative Menschen zu führen?
Zunächst: 130 Mitarbeiter waren in der Werbeagentur in Gockhausen beschäftigt, aber die ganze Gruppe beschäftigte wohl gegen 350 Leute. Darunter waren viele Talente. Ich habe es immer spannend gefunden, mit guten Leuten zu arbeiten. Und bei uns waren einige der Besten. Klar wurde um die beste Lösung hart gerungen und engagiert diskutiert. Aber das Verhältnis war von gegenseitigem Respekt geprägt. Das gemeinsame Ziel, tolle Werbung zu machen verband uns und liess auch die Führung in der Regel nicht zu einem grossen Problem werden.

6. 1981 kauften Sie das verlassene Weingut Brancaia (Castellina in Chianti), bereits zwei Jahre später belegten Sie den ersten Platz einer bedeutenden Weindegustation. Hatten Sie Erfolg durch harte Arbeit, die besten Ideen oder wegen dem richtigen «Riecher»?
Meine Frau und ich waren im Wine-Business Greenhorns. Aber wir hatten in der Toskana Freunde mit Jahrhundert alter Weintradition und die haben uns sehr geholfen. Und natürlich war mein Know-How als Werber kein Nachteil beim Aufbau der Marke BRANCAIA. Heute werden Brancaia-Weine in rund 50 Ländern rund um die Welt vertrieben. Dazu hat unsere Tochter, welche die Weinbetriebe seit 1998 führt, sehr viel beigetragen.

7. Was entgegnen Sie jungen Menschen, die sagen «früher war alles besser»?
Wie alle Verallgemeinerungen stimmt auch diese nicht. Aber wenn ich zurückblicke, kann man unschwer feststellen, dass meine Generation in vielen Bereichen „goldene“ Zeiten erlebt hat – mit dem Gefühl, in einer „sicheren“ Zeit zu leben. Das ist heute in vielen Aspekten wieder anders geworden. Aber die Welt steckt auch heute noch voller Chancen und Opportunitäten.

8. Ihr Sohn ist erfolgreicher Werber, Ihre Tochter führt die Weingüter in Brancaia, Poppi und Brancaia in Maremma. Es ist für Kinder nicht immer einfach, wenn der Vater grosse Spuren hinterlassen hat. Ihre Kinder haben es geschafft das «Erbe» weiter zu führen. Wie stolz sind Sie?
Natürlich ist man auf seine Kinder irgendwie stolz. Vor allem aber bin ich – genauso wie meine Frau – froh, dass unsere drei Kinder ihren Weg gefunden haben. Ich habe mich mit allen dreien immer gut verstanden – auch in schwierigen Zeiten. Vielleicht hat es damit zu tun, dass man mit mir über alles diskutieren konnte – nach dem Motto „let the better argument win“. Auf dieser Basis wurde die Vater-Dominanz nie zu einem wirklichen Problem.

9. Verfolgen Sie die Werbebranche? Gibt es Beispiele, welche Ihnen in letzter Zeit besonders gut gefallen haben?
Natürlich verfolge ich das Geschehen in der Werbebranche – sie hat mein Leben geprägt. Aber ich äussere mich nicht mehr dazu. Das sollen die Leute tun, die heute das Geschehen aktiv prägen.

10. Haben Sie aus Ihrer Zeit als Werber eine besondere Anekdote, welche Sie uns erzählen können?
Anekdoten gäbe es viele. Aber vielleicht ein Ereignis, das damals mein Selbstvertrauen sprunghaft erhöht hat. Ich war damals um die 28 und bei Advico als junger Werbeberater tätig. Der Gründer und damalige Besitzer der Agentur Victor N. Cohen liess mich eines Tages in sein Büro kommen und erklärte mir, dass er mich auf den Accounts arbeiten lassen wolle, welche die Agentur für Walter Haefner betreute. Haefner war sicher einer der bedeutendsten Unternehmer der Schweiz, der neben der Amag eine ganze Reihe weiterer Unternehmen aufbaute. Er und Victor Cohen waren Schulkollegen gewesen und VNC war in die WHH-Projekte noch stark involviert. Die Präsentation fand in Haefner’s Büro statt und VNC liess mich präsentieren. Zum Schluss meinte Haefner:„Junger Mann, das hat mir gut gefallen, ihre Ausführungen waren klar und auf dem Punkt“ und fuhr dann an VNC gewandt fort: „lieber Victor ich kann mir gut vorstellen, dass Herr Widmer von dir unsere Mandate übernimmt und du an diese Sitzungen nicht mehr mitkommen musst“. Zum Schluss reichte er mir seine Visitenkarte mit seiner Direktnummer und meinte, wenn es irgendwo ein Problem gäbe, soll ich ihn einfach anrufen. Als wir das Gebäude verliessen meinte Victor zu mir: „Bruno, Gratulation; genauso habe ich mir das vorgestellt“.

 

© Yves Seiler

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