Seiler's Werbeblog

Wir schreiben über Werbung

Rod - David Schärer

David Schärer «Der Strippenzieher»

Vater von zwei Kindern, Agenturinhaber, politisch interessiert, vernetzt, kreativ, intelligent, leise aber doch laut und ziemlich erfolgreich. David Schärer ist eine vielseitige Person. Als er vor 10 Jahren Jung von Matt den Rücken kehrte, um mit Regula Bührer Fecker und Oliver Fennel Rod zu gründen, hatte man zwar die Hoffnung, bald zu den kreativsten Agenturen des Landes zu gehören. Dass dies bereits innerhalb kurzer Zeit so war, verdankt die Agentur der Führung von gescheiten Köpfen.

David Schärer drängt sich nicht in die Öffentlichkeit. Umso mehr freut es mich, dass ich Ihnen ein persönliches Interview mit dem Kreativkopf und PR-Profi präsentieren kann. Erfahren Sie mehr vom zweifach nominierten Werber des Jahres und zur Behauptung, die er nicht mehr hören mag.

Yves Seiler: Rod war für mich immer „die etwas andere Agentur“. Was zeichnet Rod aus?
David Schärer: Rod hat den Geist einer inhabergeführten Agentur, sie zeichnet sich durch eine sehr starke Kultur aus. Ein Kollege im Team meinte neulich, er freue sich, am Morgen aufzustehen und gehe abends mit einem guten Gefühl nach Hause. Inhaltlich dürfen wir uns um sehr interessante Aufgaben kümmern, die Outputs sind oft Kampagnen mit starker Strategie und folglich grosser Wirkung und intensiver Diskussion in der Öffentlichkeit.

Rod hat einige der besten Strategen und PR-Leute. Wie möchtest du Rod positionieren?
Wir konzentrieren uns in der Entwicklung sehr auf die Wirkung einer Kampagne, dazu braucht es klare Ziele und eine klare Strategie. Gerade bei neuen Projekten diskutieren wir gewöhnlich sehr lange, was die eigentliche Aufgabe der Kommunikation ist. Public Relations oder Amplification, wie wir es nennen, sehen wir in der Aufmerksamkeitsökonomie als grosses Asset für unsere Kunden. Die Dramaturgie einer Kampagne ist in diesem Umfeld entscheidend für die Wirkung der Botschaft. Ich darf unbescheiden zugeben, dass wir diese Regiearbeit beherrschen. Der Launch des digitalen Sparkässelis Digipigi für die Credit Suisse ist aktuell exemplarisch für die Inszenierung nach einer durchdachten Dramaturgie. Im Vorfeld der Lancierung ist es gelungen, die Öffentlichkeit anzuregen, über Taschengeld und Finanzerziehung nachzudenken.

Die Werbebranche ist im Wandel. Siehst du das als Chance oder Gefahr für eine Agentur wie Rod?
Man muss Veränderungen natürlich im Blick haben und sich rechtzeitig anpassen. Was die Branche derzeit bewegt, sehe ich für Rod prinzipiell als Chance. Gerade in Disziplinen, die man seit einiger Zeit unter den Buzzwords «Content» und «Storytelling» subsummiert, darf ich unbescheiden sagen, dass wir Pionierarbeit geleistet haben. Neue Kunden fragen die Leistungen nach Amplification explizit nach. Die Kampagne «Boeuf sous vide» für Betty Bossi ist ein tolles Beispiel für diese Art von Kampagnen, wir haben letzten Monat mit der Künstlerin Sandra Knecht ein ganzes Bio-Gallowayrind vakuumiert und als Vanitas-Stillleben inszeniert.


Erst kürzlich kam es in der Rod-Kreations-Führung zu einem Wechsel. Wie happy bist du mit dem Mann aus dem Wallis?
Martin ist ein exzellenter und sehr profilierter Kreativer. Aber das ist nicht das einzige, was ihn ausmacht. Er sagt es ja selbst, jeder Kreative ist dekoriert mit Awards. Martin zeichnet aus, dass er ein toller Typ ist, der leidenschaftlich gerne tut, was er tut. Dies ist nicht selbstverständlich, wenn man bereits ein paar Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat. Diese Haltung passt zu uns und diese Leidenschaft ist sehr ansteckend. Dies führt dazu, dass Martin die tollsten Leute anzieht, die bei Rod arbeiten wollen. Hier sind ihm in dieser kurzen Zeit schon tolle Coups gelungen.

Du hast schon viel erlebt. Was reizt dich weiterhin an der Werbebranche?
Wir dürfen für Auftraggeber arbeiten, die in ihrem Markt sehr bedeutend sind und sehr interessante Aufgaben mitbringen. Ich bin sehr stolz darauf, dass die grösste Medienmarke der Schweiz, 20 Minuten, seit über zehn Jahren unser Kunde ist. Ich bin sehr stolz darauf, mit dem Bundesamt für Gesundheit arbeiten zu dürfen, für die Swisscom, die Credit Suisse oder siroop. Da arbeiten tolle Menschen, die sehr gut sind in dem, was sie tun. Und so lange dies der Fall ist, sehe ich keinen Anlass für eine Sinnkrise und die Anschaffung einer eigenen Galerie oder eines Weinbergs.

Ihr schafft es immer wieder, dass eure Kampagnen zu Medienthemen werden. Dies, weil ihr relevante Kunden habt und die richtigen Kampagnen macht. Wie wichtig ist jedoch die Pflege der Beziehung zu den Medienleuten?
Wer sich auf ein Netzwerk verlässt, wird untergehen, das sagte bereits Macchiavelli in seinem «Fürsten». Das ist einigermassen beruhigend für mich, denn meine Leistung im Netzwerken ist absolut ungenügend. Wir hüten uns davor, Medienleuten irgendwelche dünnen PR-Gags aufs Auge zu drücken, das ist eine eiserne Regel. Manche Kunden nehmen zum Beispiel an, alleine die Anwesenheit eines Prominenten stelle das Ereignis dar und die Publizität sei damit sicher. Das ist natürlich Unsinn. Entscheidend ist, dass wir Ereignisse konstruieren, die medienwirksam sind und ernst gemeinte Anliegen vertreten. Die #Woodvetia-Kampagne zum Beispiel erzielte eine Medienwirkung im Wert von rund 4.8 Millionen Franken, gegen 320 Artikel und Beiträge sind erschienen. Mehr als jeder Dritte hat die Aktion für mehr Schweizer Holz irgendwo zur Kenntnis genommen. Dies ist mit der Strategie gelungen, die Botschaft über Kausalität zwischen Holz, Herkunft und Protagonisten der entsprechenden Figur zu konstruieren und diese bis tief in die Regionen der Schweiz zu vermitteln. So ein grosses Netzwerk kann man gar nicht haben, die Geschichte muss überzeugen.

Ein Mittel, um in die Medien zu kommen, ist Provokation. Wie denkt der PR-Mensch David zu diesem Thema?
Naja, die Provokation ist ein Mittel, darf aber nicht zum Selbstzweck verkommen. Wenn das Ereignis die Botschaft überstrahlt, hat es seine Wirkung verfehlt. Es geht nicht darum, mit einer Kampagne in die Medien zu kommen, sondern darum, eine Botschaft zu vermitteln. Ein gutes Beispiel ist die Love Life-Kampagne, diese haben einige Menschen als provokativ empfunden, sie eröffnete aber ein Forum in der Öffentlichkeit, das es zuliess, Präventionsbotschaften zu vermitteln. Und dies in einer Zeit, in der HIV weitgehend den Schrecken verloren hat. Die «Partner wechselt. Safer Sex bleibt»-Kampagne letztes Jahr war verhältnismässig unaufgeregt, die mediale Diskussion aber fast genau so prominent.

10 Jahre Rod: was war dein schönstes Erlebnis?
Unglaublich tolle Begegnungen mit Menschen, allen voran mit dem Agenturpartner Pablo Koerfer und Geschäftsleitungsmitglied Marco Meroni, mit dem ich das Amplification-Team leite. Beide habe ich vor ziemlich genau zehn Jahren kennen gelernt, beide sind sehr enge Freunde geworden und wir dürfen erst noch zusammenarbeiten. Wir funktionieren sehr gut zusammen und ich schätze ihre Kreativität. Marco ist zum Beispiel der alleinverantwortliche Autor von Kampagnen wie #Woodvetia oder Boeuf sous vide für Betty Bossi.

Und auf welches würdest du gerne verzichten?
Auf schmerzhafte Entscheidungen, die es auch gab.

Bevor du Rod gegründet hast, warst du Leiter der PR-Unit bei Jung von Matt. Viele Kollegen sagen, dass Jung von Matt sie enorm geprägt hat. Wie sieht das bei dir aus?
Bei Jung von Matt/Limmat habe ich das Handwerk gelernt und meine Gründungspartner Regula Bührer Fecker und Oliver Fennel getroffen, allein diese schicksalshafte Begegnung war prägend für alles Weitere. Dominique von Matt war mein Chef, ich schätze seine strategischen und intellektuellen Fähigkeiten unheimlich. Noch heute frage ich mich manchmal, wie er wohl eine Entscheidung treffen würde. JvM ist nach wie vor ein Magnet für sehr talentierte Leute, ich bewundere diese Agenturmarke für diese Konstanz.

Nach den ersten Jahren wart ihr zwar ein Kreativer Hotspot, ihr musstet aber bestimmt auch Lehrgeld bezahlen und lernen, dass die Buchhaltung genauso wichtig ist, wie das Ausarbeiten von Kampagnen. Gab es Zeiten in welchen zwar die Auftragsbücher voll waren, ihr aber mit den Finanzen besser haushalten musstet?
Auch nach zehn Jahren gibt es unternehmerische Entscheidungen, die man zum ersten Mal trifft und bei denen man nicht auf einen Erfahrungswert zurückgreifen kann. Das kann auch unangenehm sein. Ich denke, wir hatten bis jetzt im Grossen und Ganzen viel Glück, welches wahrscheinlich auch dadurch begünstigt wurde, dass Regula, Pablo und ich bescheiden sind und auch nach dieser Maxime leben und arbeiten.

Man hört oft, dass du dich nicht ins Rampenlicht drängst. Der Titel zum Werber des Jahres wäre dann aber doch eine Erfüllung. Wie siehst du das?
Zweimal war ich nominiert und klar, der Titel ist eine tolle Anerkennung, keine Frage. Viel wichtiger aber ist, der Titel fände wieder das Renommée, den er mal hatte.

Eine deiner Markenzeichen ist die Verbrüderung von Musik und Marken. Warum funktioniert diese Fusion gerade bei Rod derart gut?
Musik ist ein universelles Mittel, das Unglaubliches auslösen kann. Sie gibt Ereignissen einen Ton, grossen Revolutionen genauso wie kleinen Liebesgeschichten. Die Fusion funktioniert in unserem Falle, wenn die Musik in einer Kampagne nicht als dekoratives Element, sondern als Bestandteil der Botschaft gedacht wird. Der Song «Welcome Home» den wir mit Roman Camenzind von HitMill für die «unterwegs zuhause»-Kampagne für die SBB geschrieben haben, wurde von zwei Mitarbeitenden der SBB gesungen und chartete in der Top 5 der Schweizer Hitparade. Dies sorgte für einen positiven Ruck im Unternehmen, es war unglaublich zu sehen, wie sich im Kampagnenzeitraum auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden in den Umfragen verbesserte. Uraufgeführt wurde der Song von Selina & Hanspeter an einer Kaderveranstaltung der SBB, wo auch die Kampagne präsentiert wurde. Es gab eine Standing Ovation, über tausend Mitarbeitende applaudierten begeistert. Es ist gelungen, ein Gefühl auszulösen, das man nicht mit etwas auslösen kann, das auf Werbung limitiert ist.

Bist du ein Musikfreak? Welche Musikrichtung hat es dir besonders angetan?
Was in der Musik passiert, verfolge ich leider überhaupt nicht mehr und höre eigentlich nur noch klassische Musik. Aber ich kannte mich mal sehr gut aus. Meine Wurzeln liegen im Punk, die Sex Pistols elektrisieren mich immer noch.

Rod hat viele Persönlichkeiten. Aus dem Kollektiv ragen aber Regula und du selber hervor. Wie wichtig ist es dir, eine Partnerin wie sie an deiner Seite zu haben?
Das ist aber nett, es ist ja Regula, die im Scheinwerferlicht steht, Pablo und ich halten uns eher im Hintergrund. Wir stehen komplementär zueinander und bringen unterschiedliche Qualitäten in die Agentur ein, die zum Gelingen von Kampagnen führen. Regula ist eine brillante Strategin, Pablo ein herausragender Geschäftsführer, der die Beratung leitet und die Agentur zusammenhält. Ich glaube, jeder und jede ist sich über die Qualitäten des anderen bewusst.

Du bist früh Vater geworden und entwickelst Werbung, die auch bei jungen Menschen sehr gut ankommt. Sind deine Kinder deine heimlichen Berater, wenn es um eine Meinung ausserhalb der Agentur geht?
Stimmt, meine Tochter studiert mittlerweile Ethnologie und Politikwissenschaften, mein Sohn besucht den Vorkurs an der Schule für Gestaltung und will Grafiker werden. Sie sind beide sehr gute Sensoren und sie sind schonungslos in der Kritik. Mir ist es sehr wichtig, dass sie gut finden, was ich tue.

Stimmt es, dass du es nicht gerne hörst, wenn man sagt, dass Rod die Agentur für die Jungen ist?
Dazu fällt mir nicht mehr ein als ja.

Du wärst fast SP-Grossrat geworden. Wie fest bist du heute noch politisch aktiv?
Von der SP habe ich mich verabschiedet und habe mich in den letzten Jahren zum Liberalen entwickelt. Politik ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, ich versuche mich in meiner freien Zeit bestmöglich zu engagieren. Das mache ich als Vorstandsmitglied bei Operation Libero, manchmal aber auch ganz privat.

Wie frustrierend ist es für dich, dass die SVP in Sachen Werbung vieles besser macht, als die anderen Parteien?
Es sollte ein Ansporn sein, es besser zu machen. Werbung sehe ich in der Politik als Teil der Debatte, als Mittel der Rhetorik. Seit Aristoteles wissen wir, dass es in der Überzeugung nicht nur darum geht, das Augenmerk auf die Aussage zu richten, sondern auch auf den Auftritt. Dies ist ein genuin demokratischer Wesenszug, nicht das bessere Argument gewinnt allein, sondern das besser verkaufte Argument. Der SVP gelingt es tatsächlich oft, mit ihren Motiven Agenda Setting-Prozesse auszulösen, davon sollte man tatsächlich lernen.

Ist Werbung, für einen Menschen wie dich, nicht zu oberflächlich?
Der Branche haftet der Ruf eines Scheins ohne Substanz an und wir stellen etwas her, das leider die wenigsten Menschen mögen und das zu Recht. Die andere Seite aber ist, dass ich in der Branche den ungewöhnlichsten und den besten Denkern begegnet bin. Menschen, mit herausragendem Geist und der Fähigkeit, Komplexität zu reduzieren, ohne den Kern zu verlieren. Dies ist ein Talent, das nicht viele Menschen haben und man findet es meist in der Werbung.

Wie lange möchtest du noch dein Können der Werbebranche zur Verfügung stellen?
Keine Ahnung. Ich denke nicht daran damit aufzuhören.

Du bist Basler und lebst schon lange in Zürich. Das Zürcher Image ist in Basel nicht das Beste. Wie denkst du über Zürich und die Zürcher?
Zürich ist seit langem meine Heimat, die meisten Menschen, die mir wichtig sind, sind hier. Den typischen Basler Antireflex auf Zürich habe ich nicht und finde diesen auch reichlich provinziell. Man kann hier das Leben wie in einer Grossstadt führen, muss aber nicht. Dies macht Zürich einzigartig. Manche Basler scheinen es nicht überwunden zu haben, dass Zürich die bedeutendere Stadt geworden ist. Dabei hätte Basel weitaus das urbanere Flair, was zum Beispiel die Architektur angeht. Hier trifft Zürich sehr mutlose Entscheidungen. Den Unterscheid in der Stadtplanung kann man sehr schön sehen, wenn man von der Bar Rouge im Messeturm auf Basel blickt und von der Skybar im Prime Tower auf Zürich. Von der Bar Rouge schaut man auf eine städtische Topographie, von der Skybar auf zusammengewachsene Bauerndörfer.

Als PR-Berater und Stratege muss es für dich furchtbar langweilig sein, für jemanden zu arbeiten, der kein Profil hat. Je eckiger, desto besser oder sehe ich das falsch?
Wir arbeiten für Marken und nur sehr selten für Personen, aber natürlich geht es darum, das Besondere, das Einzigartige zu finden. Unser Hirn ist schliesslich auf die Wahrnehmung von Unähnlichem programmiert und die Bedingungen für Medienaufmerksamkeit liegen im Aussergewöhnlichen. Ich finde es immer ein bisschen billig, einen Misserfolg auf ein mangelndes Profil oder auf die Mutlosigkeit eines Kunden zu schieben. Unser Job ist es, den Nachrichtenwert zu schaffen und nicht darauf zu warten, dass dieser irgendwo entsteht.

10 Jahre Rod: wohin soll die Reise noch gehen?
Ich hoffe sehr, wir werden weiterhin das Privileg haben, mit tollen Menschen tolle Kampagnen für tolle Kunden zu entwickeln.

 

©Interview: Yves Seiler

 

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