Götz Ulmer gehört zur absoluten Kreativ-Spitze im deutschen Raum. Der heutige Jung von Matt Kreativ-Vorstand startete bei selbiger Agentur vor über 20 Jahren als Art Director und zählt heute zu den Besten seines Fachs.
Im Interview erzählt er uns vom aktuellen Erfolg der Agentur, seinem Verhältnis zu Jean-Remy, seiner Zeit mit Thomas Wildberger und vieles mehr.
Yves Seiler: Herzliche Gratulation – Im aktuellen Kreativradar lässt ihr eure Konkurrenz nur noch staunen. Was zeichnet die aktuelle JvM aus?
Götz Ulmer: Nicht mehr und nicht weniger als die vorherigen auch: wir sind seit unserer Gründung jeden Tag davon überzeugt, dass Kreativität der Zündstoff jeglicher Kommunikation ist. Auf jedem Kunden. In jedem Kanal. Die geballte Wucht in diesem Jahr ist aber auch auf extrem viel Glück zurückzuführen. Oder es mit den Worten von Doc Brown zu sagen: wir befinden uns in einem aussergewöhnlichen Raum-Zeit-Kontinuum.
Das «Besondere» ist, dass ihr mit echten Kampagnen punktet und nicht auf Goldideen zurückgreift. Genau so muss es sein. Goldideen gehören für mich verboten. Wie siehst du das?
Ich mag Goldideen nicht. Wobei hier auch ein bisschen der Helene-Fischer-Effekt greift: wenn man nachfragt, will keiner die Platten gekauft haben. Bei Goldideen ist es ähnlich: keiner will sie gemacht haben. Es gibt einfach keine Ausrede, sehr gute Ideen nicht zusammen mit seinen Kunden zu machen. Neulich bekam ich eine Einladung von einer Firma, die sich darauf spezialisiert hat, Kreativen das Gewinnen in Cannes beizubringen, weil sie die Gewinnercases der letzten Jahre wissenschaftlich analysiert haben. Absurder und rückwärtsgewandter geht es kaum noch.
Welche deiner aktuellen Kampagnen liegt dir besonders am Herzen? Warum?
An der brüte ich gerade und kann somit nicht drüber reden. Frag’ mich bitte in einem halben Jahr nochmal.
Was braucht es 2018 um erfolgreiche Werbung zu machen?
Kreativität, Leidenschaft, Spass am Spass und sehr viel Durchhaltevermögen.
JvM und die Kombination mit Musik scheint wunderbar zu funktionieren. Es gibt mittlerweile sehr viele erfolgreiche Kampagnen, welche auf der Basis eines Songs und Clips basieren. Diese Tatsache spielt dir als Musikfan bestimmt in die Karten?
Ja, das macht Laune. Wenn man mit Komponisten Musik entwickelt, ist das ein bisschen wie früher beim Arrangieren eines neuen Songs im Proberaum. Musik ist die mächtigste Kunst, die die Menschen je kreiert haben. Kleines Geheimnis am Rande: ich wähle für Spots meistens den Song, den mein privater Musikgeschmack am schrecklichsten findet: meistens wird er dann ein Top-Ten-Hit :-)
Die menschliche Hitmaschine der Sparkasse, welche von Jung von Matt/Spree entwickelt wurde, ist ein aktuelles Beispiel, das hohe Wellen schlägt. Gibt es mittlerweile Kunden, die zu euch kommen und sagen, macht uns auch mal so einen schönen Song, welcher dann mal schnell 1 Mio. Klicks generiert?
Die gibt es schon länger. Damals mit eBay aber spätestens mit Vodafone haben wir und vor allem unsere Musikabteilung WHITE HORSE MUSIC Musik eine sehr wichtige Rolle zugemessen. Ergebnis: neben einer perfekten Bilduntermalung entstanden fünf TopTen Hits. Und ein Song, wie der für den aktuellen Sparkasse-Spot, ist so skurril, dass er jeden Rezipienten mit einem Grinsen im Gesicht zurück lässt. Die Hitmaschine verlängert das Grinsen noch. Grosses Kompliment an die Hauptstadt-Truppe.
Als ihr Mercedes verloren habt, dachten viele an einen Einbruch, was zumindest die Auftragsbücher betrifft. Mittlerweile arbeitet ihr aber erfolgreich für BMW. Wie wichtig ist der Münchner Autobauer für euch?
Wichtig. Und zwar weil wir mit bmw.com täglich beweisen, dass wir nicht nur weltweite Contentbefüllung, sondern auch den Neubau solch‘ komplexer Plattformen bewältigen können. Letzteres trauen die etwas weltfremderen Beobachter der Werbeszene Jung von Matt immer noch nicht zu.
Wenn einer Jung von Matt verkörpert, dann gehörst du bestimmt zu diesen Personen. Seit Jahren bist du das kreative Rückgrat der Agentur. Hast du nie Lust gehabt etwas anderes zu machen? Hast du dir nie überlegt eine eigene Agentur zu gründen?
Doch. Das gab es mal vor ein paar Jahren gedanklich während meiner Zeit mit Oliver Voss. Aber wozu etwas Neues machen, wenn die Agentur und die damit verbundene Kultur alles bietet, was man schätzt: wenig Schwätzer, Mut, Wille, Leidenschaft, ein bisschen Provokation und eine gesunde Dosis Anarchie? Sogar die Lage neben dem Schlachthof im linksradikalen Karoviertel und nicht in einem zentral gelegenen Glasmarmorstahlrepräsentanzauswurf empfand ich als Sinn stiftend.
Solche Fragen stellst du dir aktuell aber sicher nicht. Du gehörst zu den 15 Partnern, welche JvM leiten. Kann man davon ausgehen, dass «einmal JvM immer JvM» von dir perfekt vorgelebt wird? Ein Wechsel kommt bestimmt nicht mehr in Frage?
Man soll nie nie sagen, aber es hat schon einen Grund, warum ich seit 22 Jahren in derselben Firma bin. Eine Comfortzone ist es bei unserem Tempo bestimmt immer noch nicht. Es hat auf jeden Fall schon lange kein hoffnungsfroher Headhunter mehr angerufen.
Was pflegst du für einen Umgang mit jungen Mitarbeitern? Was zeichnet Chef Götz aus?
Den zweiten Teil der Frage musst Du die Leute fragen. Ich persönlich empfinde mich als denselben Überzeugungstäter wie der, der ich am ersten Tag auch war. Ich nehme mich nicht allzu, dafür alle Mitarbeiter, gleich ernst. Hierarchiedenken ist einfach nicht Rock’n’Roll. In meine Abstimmungsmeetings darf jeder mit rein, egal wie groß das Team ist. Vorfiltern hasse ich, da geht meist zu viel verloren. Richtig gerne kümmere ich mich übrigens auch, zusammen mit Heike Lorenz, um unseren eigenen Nachwuchs in der JvM Academy.
Und wie ist dein Verhältnis zu Jean-Remy von Matt? Betrachtest du ihn als deinen Ziehvater?
Nein. Als Arter schaut man nicht zu Textern auf :-)
Spass beiseite: natürlich habe ich mir vieles von Jean-Remy abgeschaut und verinnerlicht, auch wenn wir während meines Agenturweges gar nicht so viel miteinander zu tun hatten. Ich schätze ihn hauptsächlich für sein glasklares Andersdenken.
Aus Schweizer Sicht ist es spannend, dass du in deiner JvM-Zeit über Jahre mit Thomas Wildberger gearbeitet hast. Ist es richtig, dass ihr für lange Zeit ein Kreativ-Doppel bildeten? Kannst du uns eine spezielle Anekdote aus dieser Zeit verraten?
Ja, ich war fast vier Jahre lang mit Thomas ein Team. Zusammen haben wir den vielleicht schlechtesten BMW Film aller Zeiten gedreht. Und den verdammt besten aller Zeiten (mit allen James Bond Darstellern) leider nicht. Wir sind bis heute befreundet. Obwohl ich die Geburtskarte für seine Tochter bestimmt nur gestalten durfte, weil ich es umsonst gemacht habe.
Warst du schon einmal in der Schweiz? Bist du im Kontakt mit den Kollegen von der Limmat?
Eher selten, weil JvM/Limmat sehr eigenständig funktioniert. Wenn ich aber mal da bin, freue ich mich auf Dennis und einhergehend nerdmässiges Fachgesimpel über Musik mit lauten, verzerrten Gitarren.
Was treibst du abseits der Werbung? Hast du spezielle Hobbies?
Ja, ich bin Papa.
Wenn dann noch Zeit bleibt, arbeite ich an meinem Schlagzeug weiterhin daran, spätestens bis zum Altersheim stocktaub zu sein.
©Interview: Yves Seiler