Der aktuell spannendste und in der Schweiz am meisten zitierteste Journalist heisst Lukas Hässig. Dank seinen Recherchen und dem Internet-Portal «Inside Paradeplatz» bringt er es immer wieder fertig, dass manch CEO einer Grossbank ins Schwitzen gerät.
Von einem Kadermitglied einer Grossbank habe ich gehört, dass selbst die Kadermitarbeiter Neuigkeiten über die Bank häufig zuerst auf «Inside Paradeplatz» anstatt in einem Mitarbeiter-Meeting erfahren. Dies ist möglich, da Lukas Hässig das alte Journalistenwerkzeug, die Recherche, beherrscht. Möglich ist es aber auch, da sich der Journalist auf ein Netzwerk von Informanten verlassen kann. Dass solche News überhaupt bei einem Journalisten landen zeigt, dass in den obersten Gremien so manches schief läuft. Die Übermittlung von Insiderwissen ist ein Beleg, dass sich manch Mitarbeiter mit den Machenschaften der Teppichetage nicht identifizieren kann.
«Inside Paradeplatz» wurde vor 7 Jahren von Lukas Hässig gegründet. Fast täglich gelingt es dem Wirtschaftsjournalisten eine Top-Story zu publizieren. Zwei sensationelle Primeurs veröffentlichte er mit den beiden Skandalen um Ex-Novartis-Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella und der aktuellen Aufdeckung um die Machenschaften des Ex-Raiffeisen-CEOs Pierin Vincenz. Das Erstaunliche dabei ist, dass dies einem 1-Mann-Unternehmen und nicht einem der grossen Schweizer Mediengiganten gelungen ist.
Es freut mich, dass der vielfach Ausgezeichnete und hoffentlich künftige «Journalist des Jahres» mir für ein Interview zur Verfügung stand. Erfahren Sie mehr zu den Anfangstagen, seinem Verhältnis zu den Protagonisten seines Portals und zu den Neuen Medien und wie er mit den jeweiligen Anspruchsgruppen verfährt.
Yves Seiler: Herzliche Gratulation. Dank Ihrer Arbeit gehören Sie mittlerweile zu den bekanntesten Schweizer Journalisten. Als Sie Inside Paradeplatz gegründet haben, hätten Sie mit der Popularität, welche die Internetseite und auch Ihre Person erfahren, gerechnet?
Lukas Hässig: Nein. Daran dachte ich vor 7 Jahren auch gar nicht. Sondern ich wollte das verstärken, was ich als Journalist bei Zeitungen immer schon gerne machte: „heisse“ Stories bringen.
Wie stark werden Sie mittlerweile ausserhalb der Schweiz wahrgenommen? Steigen die Seitenaufrufe aus dem Ausland? Erhalten Sie viele Medienanfragen von ausländischen Wirtschaftszeitungen?
Selten. In der Schweiz melden sich ab und zu Kollegen rund um die Affäre Vincenz.
Ähnlich wie in der Werbung verkauft sich eine Story gut, wenn Sie relevant ist. Wie weit ist eine gute Story von den Protagonisten abhängig?
Je höher die Person, desto grösser das Interesse. Bei Daniel Vasella und seinen 72 Millionen Abgangsboni oder den Machenschaften von Pierin Vincenz zeigte sich das einmal mehr.
Mit den beiden Fällen «Novartis» und «Raiffeisen» veröffentlichten Sie zwei absolute Hotstorys. Des einen Leid ist des anderen Freud. Beschäftigen Sie sich mit den jeweiligen Personen? Oder geht es Ihnen hauptsächlich um die Aufdeckung einer brisanten Story? Muss man in Ihrem Beruf das Persönliche komplett ausblenden?
Als Lonely Wolf habe ich keine engen Beziehungen zu den Spitzenleuten, über die ich schreibe. Das macht die Sache einfacher.
Gerade mit der Novartis Enthüllung durften Sie Ihren ersten Popularitätsschub erfahren. Ist es richtig, dass wenn Sie diese Story zum Beispiel einer Sonntags Zeitung verkauft hätten, Sie dann nur ein paar hundert Franken als Einnahme erhalten hätten?
Allemal ein paar hundert. Aber klar: Eine eigene „Zeitung“ ist langfristig rentabler, dafür braucht es allerdings Zeit und Lust.
Sie veröffentlichen Berichte, die thematisch weiter gehen als der eigentliche Paradeplatz. Können Sie sich vorstellen die Spannweite noch weiter zu öffnen?
Gerne. Es hängt alles von den Quellen ab.
In einer erfolgreichen Phase wie Sie sich mit Inside Paradeplatz (IP) befinden, stellt man sich häufig die Frage betreffend Wachstum. Wohin soll die Reise mit IP gehen? Können Sie sich vorstellen, dass Sie zum Beispiel weitere Journalisten engagieren, welche für Ihre Internetseite arbeiten?
Vorstellen ja; wie genau umsetzen, da bin ich unschlüssig.
Inside Paradeplatz ist ein reines digitales Medium. Können Sie sich vorstellen, dass Sie zwischendurch auch auf analogen Kanälen Storys veröffentlichen? Zum Beispiel mittels monatlicher Zeitung?
Eher nicht. Mit einem Dreiteiler zum Vincenz-Krimi testete ich bezahlten Inhalt; aber nicht Print, sondern online. Das funktionierte nicht schlecht.
Wie wichtig sind Twitter und Kollegen für Inside Paradeplatz?
Keine Ahnung, bin ein Digital Immigrant.
Wer ist für die Vermarktung Ihrer Seite verantwortlich? Ist es richtig, dass Sie diese Aufgabe einer Medienagentur anvertraut haben? Was sind die Gründe dafür?
Die Vermarktung liegt bei mir. Damit lerne ich das Online-Business besser verstehen. Die meiste Werbung kommt via Google und Audienzz, mit denen ich zusammenarbeite.
Gibt es Marken, für welche Sie auf Inside Paradeplatz nicht werben? Schliessen Sie zum Beispiel Banken aus?
Banken würden passen, sie könnten Jobs anbieten. Bisher verzichteten die meisten. Bei Google habe ich Werbung unter der Gürtellinie deaktiviert.
Einen wichtigen Bereich müssen Sie externen Profis anvertrauen: den Bereich der Sicherheit der Seite. Sie wurden schon in der Vergangenheit Opfer von Cyberattacken. Wie viele Kosten müssen Sie mittlerweile in den Schutz Ihrer Seite investieren?
Nichts. Ein erfahrener Web-Spezialist wurde gerade Bürokollege, als ein Cyber-Angriff lief, ausgehend von der Notenstein, wie sich zeigen sollte. Er installierte sofort einen „Gotthard“-Schutz.
Eine andere externe Zielgruppe sind die Schreiber von Leserkommentaren. Wie gehen Sie mit solchen Kommentaren um? Lesen Sie jeden Einzelnen? Gibt es viele Kommentare, welche Sie nicht veröffentlichen?
Jeder Kommentar wird vorab gelesen. Die meisten sind Ok, abgesehen vielleicht von einem Adjektiv, das ich dann lösche. Die NZZ sperrt alles weg, Inside lässt möglichst viel durch. It’s a free world.
Kam es auch schon vor, dass Sie Kommentarschreiber kontaktiert haben, da Sie spürten, dass hinter dem Kommentar viel Insiderwissen steckt?
Das gab es.
Mittlerweile muss für Sie sicherlich auch der Druck vorhanden sein, dass Sie die Qualität der Berichte halten können. Spüren Sie den Druck, dass Sie irgendwann nachliefern müssen? Oder ist das Mediengeschäft noch immer etwas, vorauf man sich jeden Tag neu freuen kann?
Der Druck steigt. Hält jung.
Wie möchten Sie Inside Paradeplatz in den nächsten Jahren positionieren? Wohin soll sich Inside Paradeplatz zukünftig entwickeln?
Am Ende zählen die guten Stories. Hoffentlich gibt es noch viele.
Täglich spannende Berichte: insideparadeplatz.ch
©Interview: Yves Seiler