Durch seine Mandate als Rechtskonsulent des Dachverbandes «Schweizer Werbung SW» und als juristischer Sekretär der«Schweizerischen Lauterkeitskommission sowie seinem Einsitz in der Expertengruppe für Geistiges Eigentum des Wirtschaftsverbandes «economiesuisse» (Dachverband der Schweizer Wirtschaft) ist er tagtäglich mit den praktischen Problemen der Wirtschaft in den Bereichen kommerzielle Kommunikation und Geistiges Eigentum konfrontiert.
1. Ihr Credo heisst: «Besser zweimal fragen als sich einmal irren». Das perfekte Credo für einen Werbe-Berater, welcher ein Briefing schreibt. Häufig werden Briefings falsch interpretiert und Budgets schmelzen in Folge von Nichtwissen. Warum ist Ihnen persönlich dieses Credo so wichtig?
Blauäugig durch die Welt zu laufen kann ganz angenehm sein. Wenn das Schicksal aber zuschlägt, dann ist das Erwachen vielleicht umso schmerzhafter. Wird eine Kampagne von einem Tag auf den anderen gerichtlich verboten, so ist das sehr unangenehm. Vor allem dann, wenn man sich dieses Risikos nicht bewusst war.
2. Bei den Anwälten ist es normal, dass sich diese spezialisieren. Warum haben Sie sich für die Werbung entschieden?
Ganz ehrlich: Das war keine Entscheidung, vielmehr eine Art Fügung. Als Jus-Student auf der Suche nach einem Broterwerb hatte ich das Glück für Dr. Lucas David arbeiten zu dürfen. Lucas David war und ist einer der ganz wenigen grossen Werberechtler der Schweiz. Es ergab sich daraus eine mehrjährige, sehr interessante und angenehme Zusammenarbeit. So hielt ich der Werbebranche auch als flügge gewordener, selbständig tätiger Anwalt die Treue.
3. Viele Agenturen bieten die ganze Werbepalette an. Manche haben Angst, dass ihnen ein Auftrag durch die Finger gleiten könnte, wenn sie ein Teil des Kommunikationspuzzles nicht anbieten. Was raten Sie den Agenturen? Empfehlen Sie eine Spezialisierung?
Das fragen Sie einen Juristen? Mir kommt es vor, dass die Werber oft selber keine Antwort auf diese Frage wissen. Ich kann sie nur mit Blick auf meine eigene Tätigkeit beantworten: Man macht das gut, was man mit Passion, mit Herzblut macht. Daher muss jeder Einzelne, jede Agentur selber entscheiden, wo der Fokus liegen soll.
4. In welchem Bereich werden Sie am Häufigsten angefragt? Warum ist das so?
Oft sind es nicht die grossen allgemeinen Rechtsnormen, die Probleme machen. Der Teufel liegt häufig im Detail. Die Preisbekanntgabeverordnung ist zum Beispiel ein solcher Dauerbrenner. Das Werben mit Preisen und Rabatten ist attraktiv. Die dazugehörigen Detailbestimmungen dieser Verordnung sind es hingegen ganz und gar nicht. Die Preisbekanntgabeverordnung birgt sicher das grösste Risiko, dass sich ein Werber resp. ein Marketingleiter eines Werbeauftraggebers persönlich strafrechtlich verantwortlich macht.
5. Sie sind juristischer Sekretär der Lauterkeitskommission. Entsteht unlautere Werbung durch Nichtwissen? Sind eher Kleinfirmen davon betroffen?
Da wären wir wieder bei der Blauäugigkeit. Ich glaube das Bewusstsein der Werberinnen und Werber für rechtliche Risiken ist in den letzten Jahren gestiegen. Das kann aber auch dazu führen, dass rechtliche Risiken ganz bewusst eingegangen werden. «No risk no fun» kann durchaus auch einmal interessant sein. Diese Strategie können sich dann aber eher nur die grösseren Unternehmen leisten. Die Konstellationen, wie es zu unlauterer Werbung kam, sind sehr unterschiedlich. Entsprechend würde ich nicht bestätigen, dass unlautere Werbung vor allem ein Problem der Kleinfirmen ist.
6. Viele Agenturen verzichten auf die «Copyrights» zu Gunsten des Kunden. Sie möchten den Kunden gewinnen oder behalten und nicht abschrecken. Gehen die Agenturen zu fahrlässig und gutmütig mit dieser Thematik um?
Zum Thema Copyrights gibt es aus meiner Sicht nur einen Rat an Agenturen und Werbeauftraggeber: sprecht miteinander. Regelt die Frage vorgängig. Ob die Vereinbarung dann auf die eine oder die andere Seite tendiert, das ist eher sekundär. Aber sie muss dem gemeinsam diskutierten gegenseitigen Willen entsprechen. Denn das Gesetz lässt uns in dieser Frage im Stich. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet gesetzliche Vorgaben zu diesem Thema zu machen. Streitereien über Copyrights sind sicher etwas vom Unangenehmsten.
7. Was denken Sie: wie viele von 100 neuen Firmen, welchen ein neues Corporate Design erstellt wird, lassen ihre Marke schützen? Ab welcher Grösse (Unternehmen) lohnt es sich einen Eintrag zu machen?
Ich bezeichne die Marke immer als das erfolgreichste Geistige Eigentumsrecht. Pro Jahr werden alleine in der Schweiz über 15‘000 neue Marken zum Eintrag ins Markenregister angemeldet. Die Nachfrage ist also vorhanden. Die Unternehmen, kleinere wie grössere, sehen in einer Markeneintragung häufig einen Mehrwert. Ich meine, in den meisten Fällen zu recht. Aber der Sinn einer Markeneintragung lässt sich leider nicht alleine anhand der Grösse eines Unternehmens entscheiden. Es stellen sich andere Fragen z.B.: Eigenes wirtschaftliches Interesse an einem eigenständigen Auftritt? Kennzeichenkraft der eigenen Gestaltungselemente? Gefahr der Anfechtung durch ältere bereits eingetragene Marken? Welche Gestaltungselemente prägen den eigenen Auftritt?
8. Sie dozieren unter anderem am SAWI. Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt und Austausch mit der zukünftigen Werbe-Generation?
Am SAWI und an den Fachhochschulen etc. trifft man nicht nur die zukünftige, sondern auch die aktuelle, sich weiterbildende Werbe-Generation. Dieser Austausch mit den dynamischen Jungwerberinnen und –werbern ist extrem befruchtend. Es hilft keine «Juristerei» aus abstrakten theoretischen Sphären zu betreiben.
9. Für die Bekanntmachung von z.B. neuen Produkten ist Guerilla Marketing immer wieder eine spannende Werbemöglichkeit. Haben Sie schon einmal einen Fall erlebt, in welchem es böse für die Agentur endete?
Ein böses Ende nehmen solche zum Beispiel Aktionen dann, wenn das Ende praktisch mit dem Start zusammenfällt und die Aktion ihre Wirkung nicht entfalten kann. Die angedrohten Bussen sind ja in einem sehr bescheidenen Rahmen. Daher ist Guerilla Marketing auch nach wie vor so attraktiv. Aber nicht vergessen werden darf: Wenn die Stadt dann noch Aufräumarbeiten in Rechnung stellt, dann kann es teuer werden.
10. Juristische Arbeit bezeichnen Nichtjuristen häufig als trockene Materie. Da kein Fall dem anderen gleicht, muss man jedoch auch als Anwalt kreativ sein. Wie sehen Sie das?
Zu meiner Zeit als Prüfungsexperte an der Höheren Eidgenössischen Berufsprüfung „Kommunikationsleiter“ hörte ich von den Kandidatinnen und Kandidaten häufig die Aussage: Recht und Volkswirtschaft sind die beiden schlimmsten Fächer. Gerade in meinen Ausbildungen möchte ich zeigen: Recht ist nicht etwas seltsam verschroben Theoretisches. Die rechtlichen Beurteilungen der Werbeentwürfe entsprechen häufig dem ersten Bauchgefühl der Werberinnen und Werber. Das Spannende und Kreative an meiner Arbeit ist: Zusammen mit den Kunden die rechtlichen Risiken evaluieren und innerhalb dieser Risiken zu entscheiden: Welche Möglichkeiten zur rechtlichen Risikominimierung bestehen ohne die Kommunikationsidee zu beschädigen oder zu ruinieren?
11. Was war ihr skurrilster Fall seit es Ihre Kanzlei gibt?
Kommerzielle Kommunikation ist im Grunde ja etwas sehr Bodenständiges. Die Skurrilitäten halten sich daher in Grenzen. Speziell war aber beispielsweise folgender Fall: Eine Agentur hatte sich bei der Planung und Ausarbeitung eines Gewinnspieles mit Rubbelkarten arg verrechnet. Tag für Tag gingen zum Schrecken des Auftraggebers teure Hauptpreise an die hoch erfreuten Kunden. Den Juristen haben schon die alten Römer empfohlen, sie sollen die Finger vom Rechnen lassen: Iudex non calculat. Vielleicht gilt das auch für Werbeagenturen.
Dr. Marc Schwenninger
LL.M. (IP), Rechtsanwalt
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