Marco Bieri, Vater von zwei erwachsenen Kindern, hat eine kaufmännische Lehre bei Mühlebach AG, heute Antalis absolviert. 1999 wechselte er als Marketing-Manager zu Biber Papier und erlebte die Fusion mit Baumgartner Papier und die Umfirmierung zu Inapa Schweiz AG. 2009 wechselte Marco Bieri zu Sihl+Eika AG, welche heute Papyrus Schweiz AG heisst. Als Marketingleiter ist er Herr über eine Vielzahl von Papieren und Mitarbeitern. Seit Oktober 2014 ist er zusätzlich Leiter für die Fachberatung der Werbeagenturen.
1. Du arbeitest seit deiner Ausbildung in der Papierbranche. Woher kommt die Leidenschaft für das Papier? Stimmt so nicht ganz. Ein Timeout gab es. 1999 kehrte ich wieder zurück in die Branche. Das war eher Zufall. Papier hat was Magisches bzw. Haptisches! Papier ist einfach ein faszinierendes Medium. Woher die Leidenschaft kommt, kann ich so nicht beantworten. Es war Liebe auf den ersten Blick! Ich vergleiche es wie in der Modebrache. Es ist ein stetiger Wandel mit der Zeit. Du musst immer einen Schritt voraus sein. Welche Trends kommen in 3 bis 5 Jahren? Welche Farben, Oberflächen und Kollektionen sind gefragt? Diese Challenge ist die tagtägliche Herausforderung und macht diese Branche äusserst interessant und spannend, obwohl die Zukunft keine rosigen Aussichten verspricht.
2. Papyrus ist ein Händler und stellt kein Papier her. Woher bezieht ihr euer Papier? Welches sind eure wichtigsten Partner und in welchen Ländern sind diese zu Hause?
Papyrus Schweiz bezieht Papier aus Europa, vorwiegend aus Österreich, Schweden und Deutschland. Unsere Hauptpartner sind Mondi im Bereich Naturpapiere und Businesspapiere, StoraEnso und Sappi vorwiegend für grafische Papiere, ArcticPaper für Designpapiere, Gmund und Favini für Kreativpapiere.
3. Ist es richtig, dass in der Schweiz fast kein Papier mehr produziert wird?
Ja, das ist leider richtig so. Es gibt nur noch eine Hand voll Papierfabriken in der Schweiz. Früher gab es deutlich mehr Papierfabriken in der Schweiz. Wenn ich mich zurückerinnere an meine Lehrzeit, wie viele Papierfabriken es damals noch gab, so ist es erschreckend, wie viele heute noch übrig geblieben sind bzw. die wirtschaftliche Situation «überlebt» haben.
4. Immer mehr Druckereien müssen infolge schlechter Auftragslage die Tore schliessen. Das muss auch Auswirkung auf die Papierbranche haben. Wie geht ihr mit dieser Tatsache um?
Diese Tatsache hat sich in den letzten vier Jahren zu unserem «daily business» gewandelt. Wir sind dauernd mit diesem Wandel konfrontiert und wir mussten lernen dies zu «akzeptieren» und damit umzugehen. Jedes Jahr sinkt der Absatz und die Nachfrage kontinuierlich. Wir setzen uns daher andauernd mit der Planung, den Konzepten und der Strategie auseinander und dies ist auch eine der grössten Herausforderung. Ganz nüchtern betrachtet sind es keine guten Aussichten für unsere Branche. Es wird auch in Zukunft immer noch Papier brauchen und geben, nur wird sich der Bedarf und die Nachfrage noch enorm reduzieren bzw. schwinden. Die Multimediale Welt kommt hier wie ein Tsunami auf uns zu bzw. hat uns schon erwischt.
5. Das Sortiment an Spezialpapieren hat sich in den vergangen Jahren deutlich verkleinert. War das eine Entscheidung der Vernunft?
Dies hat nichts mit Vernunft zu tun. Das ist das wirtschaftliche Umfeld, welches dazu führte. Die Tendenz immer günstigere Papiere zu kaufen, beschleunigt die Tatsache, dass immer weniger Kreativpapiere hergestellt werden. Allein die Kosten für die Entwicklung eines neuen Kreativpapiers kostet ein Vermögen. In der Papierindustrie lassen sich keine Papiere auf Knopfdruck produzieren. Hier steht ein langer Entwicklungs- und Produktionsprozess im Hintergrund. Dazu kommen hohe Marketingkosten und –massnahmen für die Markteinführung und den Launch eines neuen Produktes. Heute zählt Absatz und Menge! Papier wird zu einem Premiumprodukt. Kreativpapiere sind in der Produktion und im Vertrieb nun mal teurer als Commodity-Papiere. Überall muss gespart werden. Die Marketingbudgets werden gekürzt. Immer mehr Unternehmen setzen auf elektronische Medien. Heute zählt die Geschwindigkeit. Man muss die Zielgruppe sehr schnell erreichen können. Dabei wird unterschätzt was eine Einladung, ein Mailing, ein Umschlag aus einem Kreativpapier für Mehrwert und Aufmerksamkeit bringt!
6. Der direkte Kundenkontakt ist für euch enorm wichtig. Wie wichtig sind zum Beispiel Messen? Welche Messen werdet ihr 2015 besuchen?
Wir werden 2015 auf keiner Messe mehr teilnehmen! Bis 2014 waren wir jeweils an der SuisseEMEX mit dabei. Wir haben entschieden uns nicht mehr auf einer Messeplattform zu präsentieren. Wir werden uns neu auf eigenen Plattformen unserer Zielgruppen zeigen, so zum Beispiel unsere Designer Brunches. Wir haben die Anzahl dieses Jahr verdoppelt und werden neben Zürich am 11. März und 17. März im Haus Hiltl, neu «wieder» in St. Gallen am 26. März und in Lausanne am 11. Juni präsent sein. Für Bern haben wir noch kein definitives Datum fixiert, dies wird aber noch folgen… Und am 7. Mai 2015 findet nach wie vor unser Symposium in Bern mit über 300 Teilnehmern statt. Weitere Projekte sind in der Planung. Wir haben auch vermehrt Fabrikbesuche zu unseren Partnern in die Agenda aufgenommen. Wir mussten feststellen, dass der Messeauftritt zu einem grossen Streuverlust in den letzten Jahren geführt hat. Das Zielpublikum und die Messebesucher haben sich gewandelt und durchmischt. Die eigentliche Zielgruppe erreichen wir nicht auf der Messe.
7. Auch sonst seid ihr sehr aktiv was die Betreuung zum Beispiel von Werbeagenturen betrifft. Was unternehmt ihr, um die Kunden laufend mit Informationen zu versorgen?
Das passiert über unsere Fachberater. Sie bringen die Informationen direkt in die Werbeagenturen und beraten dort jeweils Projekt bezogen. Diese Art von Marktbearbeitung bringt den höchsten Mehrwert. Die persönliche Beratung und Information beim Kunden zahlt sich aus. Weiter setzen wir auf Mailings. Neuheiten werden mit physischen Printmailings an die Zielgruppe versendet. Natürlich nutzen wir auch Newsletter als Kommunikationsinstrument, da kommen wir «leider» nicht herum…
8. Was ist Paper Identity?
Welches Papier passt zur Unternehmung! Unter Berücksichtigung des Corporate Designs, aber auch nach ökologischen, qualitativen, emotionalen und produktionstechnischen Kriterien werden die Ziele für die optimale und kostengerechte Papierwahl zur Unterstützung der unternehmensspezifischen Identität und des richtigen Imagetransfers ausgearbeitet und gemeinsam definiert. Die richtige Papierwahl gehört zu den Primäraufgaben der Unternehmenskommunikation und des Marketings. Sie bringt Mehrwert in der Kommunikation, erhöht die Qualität, unterstützt die unternehmensspezifische Identität und gewährleistet den richtigen Imagetransfer.
9. Gibst du mir Recht, wenn ich sage, dass die Wirkung des Papiers im Marketing unterschätzt wird? Mit einem ausgefallenen Papier kann eine Firma einen Wow-Effekt auslösen und ich sage immer: beim Papier soll der Kunde nicht sparen.
Ja, da stimme ich dir 100%ig zu! Viele Unternehmen bzw. Marketer können den Mehrwert nicht einschätzen! Oder ganz einfach ausgedrückt: You never get a second chance to make a first impression! Was Papier mit Haptik erreicht, schafft kein anderes Medium. Das mag jetzt vielleicht für Viele etwas absurd klingen, aber der Mensch ist ein multisensorisches Wesen und sehnt sich immer noch nach Emotionen und realem Erleben. Ich kann nur empfehlen «Papier’s doch!»
10. In Sachen Eigenwerbung nehme ich euch sehr stark wahr. Du arbeitest mit einem Inhouse-Grafiker. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit hat sich in den letzten vier Jahren sehr intensiviert. Anfänglich war der «Inhouse-Grafiker» nur als Ergänzung für kleine Anpassungen und Änderungen angedacht. Wir arbeiten heute mit Marco Leanza (Leanza Mediaproduktion, Zürich) intensiv operativ zusammen und tauschen uns regelmässig konzeptionell und strategisch aus. Wir nehmen Timeouts mit Workshops und diskutieren im Team über Strategie und neue Ideen. Die Zusammenarbeit hat sich in den Jahren so entwickelt und heute sind wir ein eingespieltes Team und ergänzen uns in jeder Hinsicht.
11. Was hebt Papyrus von der Konkurrenz wie zum Beispiel Antalis oder Inapa ab?
Die Frage ist einfach zu beantworten: Wir gehen unseren eigenen Weg. Wir machen keine «Me-too-Strategie». Wir halten an unserem Kurs fest. Kurz nach meinem Eintritt zu Papyrus habe ich das Zitat von Marlo Brando im Marketingbüro aufgehängt: «Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemanden überholt werden».
12. Welche Trends sind zu beobachten, welche Papiere werden häufiger eingesetzt wenn es um Geschäftsberichte und Imagebroschüren geht? Sind das eher Natur- oder gestrichene Papiere?
Der Trend geht eindeutig hin zu Naturpapieren d.h. ungestrichene Qualitäten. Dieser Trend lässt sich auf die in den letzten Jahren hohe Qualität der ungestrichenen Naturpapiere zurückführen. Mit Naturpapieren und deren Haptik spricht man die Nutzer besser an und diese zeichnen sich durch unterschiedliche «Charakteren» aus. Naturpapiere sprechen eine «andere» Bildsprache und vermitteln Emotion, Identifikation und Harmonie.
13. Für die Herstellung von Papier benötigt es Holz. Der Einsatz von FSC-Papieren war vor ein paar Jahren noch ein grosses Thema. Kannst du uns mehr darüber verraten?
FSC-ist heute kein «grosses» Thema mehr. FSC ist heute Standard. Über 70% der Papiere von Papyrus sind heute FSC-zertifiziert. Wir machen heute Endkunden und Agenturen auf eine durchgängige Nachhaltigkeit aufmerksam d.h. wir sprechen über «klimaneutrale Drucksachen». Darin ist der ganze Prozess, begonnen vom Papier (FSC-Papier), über Drucken (Farben, Lacke etc.), Weiterverarbeitung (Fadenheftung) und Versand berücksichtigt. Ziel muss es sein das Endprodukt so nachhaltig wie möglich zu produzieren bzw. zum Endkunden zu bringen! Nur so leistet man einen «effektiven» nachhaltigen Beitrag. Die Umwelt sagt Danke!
14. Umweltschutzpapier sieht man immer weniger. Was sagst du zu denen, die meinen, dass die sogenannten Umweltschutzpapiere gar nicht so toll waren für die Umwelt?
Nein, diese Aussage stimmt überhaupt nicht. Im Gegenteil! Recyclingpapiere weisen eine viel bessere Ökobilanz auf als «herkömmliche» Papiere. Der Hauptrohstoff ist «Altpapier» aus den Haushaltungen. Dieser Rohstoff kann bis zu 7 mal für die Produktion von neuem Recyclingpapier in den Kreislauf geführt werden. Recyclingpapiere haben eine grosse Aufholjagd hinter sich! Die Qualität der Recyclingpapiere überrascht heute noch so manchen Endkunden oder manche Agentur. So besticht z.B. unser neuestes Recyclingpapier Balance Pure mit dem Gütesiegel «Blauer Engel» mit einer hohen Weisse. Hierfür wird ausschliesslich das Papier aus den Büros gesammelt und für die Produktion eingesetzt. Deshalb hat Balance Pure auch eine sehr hohe Weisse. Leider ist die Nachfrage nach Recyclingpapieren heute nicht mehr so hoch. Vorwiegend werden Recyclingpapiere bei Staatsstellen, Kantonalen Verwaltungen und Gemeinden eingesetzt.
15. Gab es in letzter Zeit ein Produkt, welches ihr ins Sortiment aufgenommen habt, von dem du absolut begeistert warst?
GMUND Cotton. Das ist Gefühl pur! Gmund Cotton wird aus 100% Baumwolle hergestellt, ist weich und zart, elegant und super dick. Dieses Papier ist nicht nur in der Haptik einzigartig, es besticht auch mit einer Reihe klassischen eleganten Variationen in den Farben Linen Cream, New Grey, Gentlemen Blue, Power Blue und dem zart schimmernden Shiny Cream mit passenden Briefhüllen in eleganten Formaten, alle aus reiner Baumwolle. Gewichtig und auffallend mit Grammaturen von 110 bis 900 g/m². Voluminös und federleicht mit einem Papiervolumen von bis zu 2.0.
16. Ihr habt viele sehr gut ausgebildete Kundenberater. Ihr Unterteilt in Geschäfts- und Werbekunden. Ein anderer Teil bedient die Druckereien. Sind die Kundenberater das wichtigste Puzzle im Distributionskonzept?
Ja, absolut! «Face to market» ist unsere Strategie! In unserem Business ist der persönliche Kontakt nach wie vor der wichtigste Touchpoint. Die grafische Branche lebt von der persönlichen Kundenpflege und –beziehung. Ohne diese wäre unser Business nur noch «rational». Natürlich hat sich in den letzten Jahren das Daily-business stark verändert. Der Preis- und Kostendruck hat unsere Branche stark durchgerüttelt. Zeit zum Plaudern ist hier absolut fehl am Platz. Es geht um’s Geschäft.
17. Das papierlose Büro ist ein Wunsch, von welchem ich behaupte, dass es ein Wunsch bleibt. Wie siehst du das?
Über das papierlose Büro spricht man schon über zwei Jahrzehnte. Der Papierverbrauch hat sich drastisch reduziert über die letzten Jahre hinweg. Ein Ende ist «leider» noch nicht in Sicht. Aber ganz ohne Papier wird es in naher Zukunft, wie lange das auch immer sein mag, nicht funktionieren. So lange dies so bleibt, kommt es uns entgegen. Früher oder später wird das papierlose Büro oder mediale Büro kommen, ja, aber bis dahin wird sich das Umfeld auch völlig verändert haben!