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Michael Kathe: Seiler's Werbeblog

Michael Kathe «Michael rezensiert #18»

In Zeiten von Corona gibt es wenigstens etwas, auf das man sich verlassen kann, nämlich auf richtig gute Rezensionen von Michael Kathe. So hoffen wir, dass es etwas hilft die Zeit zu vertreiben und auf andere Gedanken zu kommen.

***Burger King: The moldy whopper.
Sicher der aufsehenerregendste Spot der letzten Wochen. Ein Paradebeispiel der Schönheit für alle, die Verfall lieben – und mit dem dunklen Hintergrund und der ästhetischen Grandezza erinnert der Big Mac durchaus an die Vanitas-Stilleben der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Deren Bilder stellten zwar keinen Schimmel dar, aber angewelkte Blumen, Blätter und Zweige, angefressene Lebensmittel, tote Tiere und vergängliche Luxusgüter. Jedes Objekt trug eine gewisse Symbolik in sich – und diese Spielerei lässt sich auch mit dem Schimmelburger anstellen. Er dürfte wohl die moderne Version des biblischen Brotes symbolisieren. Also das Trumpsche Grundnahrungsmittel, eine moderne Version der Eucharistie. Die ihre „Erlösung“ erst am Ende, nach ihrem Tod durch Verschimmelung findet. Dann wird der eigentliche höhere Sinn ersichtlich: Nur wer irdisch vergänglich ist, ist aus natürlichen Ingredienzen und somit „gut“.

**UN Women: Newscast
Gleich nach dem zweiten Weltkrieg haben Frauen in den USA eine gewisse Unabhängigkeit erlangt, weil sie während dem Krieg für die Rüstungs- und andere Industrien gearbeitet haben, während die Männer an der Front in Europa oder Fernost waren. Leider wurde diese relative ökonomische Unabhängigkeit spätestens im Backlash der McCarthy-Ära in den Fünfzigern wieder rückgängig gemacht. Und so ist der Versuch, Geschlechtergleichheit zu erreichen, ein ständig Vor- und Zurück. Und nicht einfach ein ständiges Vorwärts, wie wir immer glauben. Die Einheit der Vereinten Nationen für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen.

(kurz: UN Women) vermag in einem prägnanten Spot zu zeigen, dass in gewissen Bereichen die Situation noch immer die gleiche ist wie vor 70 Jahren:

**Coca Cola: Open
Die Menschen streiten und schiessen, während die ganze Welt um sie zusammenzukrachen beginnt. Als Höhepunkt sind sogar zwei Superhelden so verkracht, dass sie vom Himmel auf die Erde fallen. Trump vs. Demokraten?! In diesem hasserfüllten Chaos, an dem die USA vor allem seit der Ära Trump zu zerbrechen drohen, braucht es eine einende Kraft: Coca Cola. Denn auf einmal entpuppen sich multinationale Konzerne als höchst geeignet für die Rettung der Nation. Sie sind der letzte, in grossem Stil handlungsfähige Teil der durch und durch kapitalistischen Nation, die den Stolz aller Amerikaner anklingen lassen könnte. Ihre Sprecherin Natasha Lyonne («Orange is the new black», «Russian Doll») betrachtet die Streithähne mit Humor und macht eine klare Ansage: «Hey guys, this isn’t how you save the world.» Fragt euch doch mal, ob ihr wirklich immer recht habt – worauf sich Trumpman und Pelosiwoman einsichtig anschauen.

Doch leider wars dann doch nur Werbung.

Volvo Trucks: The Tower
«The Epic Split, Part 2» heisst im Untertitel «The Tower». Die Volvo Laster wollen wieder mit den Ingredienzen Power, Pathos, Personality protzen. Doch diesmal wird der Stunt lächerlich und demaskierend. Nicht weil man 4 Laster aufeinander türmt, die einander tragen können, sondern weil statt intensivem Sonnenaufgang ein knallbuntes Gewitter vorherrscht, dessen Blitze eine Armee Frankensteins zum Leben erwecken könnten, und weil statt poetischer Musik und Off-Voice-Story Jean-Claude Van Dammes ein Musikgewitter auf uns eindröhnt – und nicht zuletzt weil anstelle von Jean-Claude Van Damme sich der CEO von Volvo, Roger Alm, noch oben auf den Trucks steht, besoffen vom besten Geschäftsjahr 2019 feiert er sich selbst. Oder gabs noch einen andern Grund für soviel Selbstherrlichkeit?

*Apple iPad Pro: How to Correctly Use a Computer
Apple hat eine eigene Art der Werbung. Aus der Zeit der grossen Innovationen etwa 2005 bis 2012 hat es sich etabliert, dass Applewerbung nicht unbedingt die kreativste sein muss, weil bei Apple ja bereits das Produkt selbst – und damit auch die simple Produktdemonstration – kreativ ist. Seit auch Apple keine bahnbrechenden Neuheiten bieten kann, schwankt die Werbung zwischen kreativer Idee, blossen Lifestylebildern und reiner Produktedemonstration.

Der Spot für den neuen iPad Pro macht genau das. Er präsentiert sich als die moderne Version des alten Personal Computer, bzw. des Laptops und zeigt, wie wir diese alten Einschränkungen gar nicht mehr befolgen müssen (=kreative Idee), natürlich nur mit den coolen Leuten in coolen Lebenssituationen (=Lifestyle), und hechelt so Produktevorteil für Produktevorteil durch, als wärs ein Lernfilm (= Produktevorteile). Aber man schaut hin …

Text: Michael Kathe

 

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