Wenn sich Alexa, Hausroboter oder jedwede künstlichen Intelligenzen heute verselbständigen, ist das immer noch auf eine Fehlprogrammierung zurückzuführen. Oder doch nicht? Die Werbung hat jedenfalls die Schnittstelle zum selbständigen Denken und Handeln der Maschinen für sich entdeckt. Am Superbowl beschäftigten sich gleich mehrere Spots mit dem Thema.
*Mercedes „Say the word“
Der American Way of Life strebt nach Freiheit, Wohlstand und individuellem Glück (dem „pursuit of happiness“, wie es in der Verfassung steht). Den Begriff braucht heute allerdings kaum noch jemand, obwohl er seit Silicon Valley’s Eroberung der Welt aktueller denn je ist. Denn der American Way of Life trägt inzwischen die Vision in sich, dass einfach alles möglich werden kann: selbstfahrende Autos (Waymo), Marsflug und Hyperloop (Elon Musk), ewiges Leben (Alphabet-Tochter Calico), Geldmachen wie blöd (alle) und vieles mehr.
Verknüpft man schon nur künstliche Intelligenz mit dem Internet der Dinge, entsteht eine grandiose Wunscherfüllungsmaschine. Mercedes zeigt, was in Zukunft alles an realer „augmentation“ des Lebens möglich wäre, würde man sich nur so intensiv damit beschäftigen wie Mercedes mit seinen Autos:
Die Konsequenz dieser absoluten Möglichkeiten der individuellen Wunscherfüllung ist allerdings: totales Chaos.
*Amazon Alexa „Not everything makes the cut“
Auch der neue Alexa-Spot zeigt, dass sich das Internet der Dinge noch nicht in jedem Ding angekommen ist. Der neue Spot für Amazons KI Alexa funktioniert wie eine Variante des Mercedes-Spots: Hier wird gezeigt, zu was Alexa fähig wäre, wenn sie in allen Dingen schon drin wäre. D.h. wenn sie die Steuerungsmacht hätte. Sie würde überperformen – vermeintlich zu unserem Wohl. Die Dienermentalität in übertriebenem Masse anwenden. Ein überaus interessanter Gedanke, den man in theoretischen Abhandlungen von KI nicht einfach so liest. Leider wird dieser Ansatz nicht sonderlich originell umgesetzt:
Tatsächlich ist die massentaugliche Gebrauchs-KI im Moment grad mal so intelligent, dass sie uns auf niederstem Level dient: IQ-Tests aus dem Jahr 2017 ordneten der klügsten unter den kommerziell erhältlichen KI’s , Google, einen Intelligenzquotienten von 47 zu. Siri stand abgeschlagen mit einem IQ von 23 da, Alexa wurde nicht getestet.
***Pringles „Sad Device“
Geht es um Sensorik, vor allem um Geschmacks- und Geruchssinn, sind unsere bisherigen KI-Systeme dem Menschen noch unterlegen (technisch gesehen müsste nicht sein: z.B. übertrumpfen Kameras, die UV- und Infrarotlicht erkennen, das menschliche Auge bei weitem). Dieser Nachteil könnte zwar einfach wett gemacht werden, doch solange Alexa und Co. nichts schmecken, haben wir Menschen noch einen Fluchtort: den Genuss.
Der Pringles-Spot mahnt uns aber schon mal, dass uns künstliche Intelligenzen auch im Bereich der Emotionalen Intelligenz überlegen werden könnten. Und wie schon mit Sklaven, Tieren etc. über Jahrhunderte hinweg, geht der Mensch auch mit dem neuen Lebewesen erst mal achtlos um.
Und eigentlich sagt uns der Pringles-Spot auf überaus amüsante Art: Männer bleiben emotionale Krüppel. Daran wird auch KI nichts ändern:
**Michelob Ultra, „Robots“
Wenn Menschen sich noch so sehr selbst optimieren, ein Roboter erreicht immer schon ein Optimum (lat. „das bestmögliche“), ein Level, das kein Mensch je schaffen wird. Konsequenterweise heisst das: Roboter bzw. die künstliche Intelligenz zerstören die grossen Wünsche der Menschheit nach Vollkommenheit. We’re only number two, and there’s no sense in trying harder.
Das kann man auch positiv sehen: die Technologie erlöst uns vom Zwang nach Perfektion. Der Mensch kann nur glücklich werden, wenn er seine Ambitionen und sein Menschsein im Gleichgewicht behält. Der Michelob-Spot lehrt uns das. Und braucht den empfindsamen Roboter für eine Pointe, die uns – wie auch bei Pringles – ein wenig im Hals stecken bleibt.
Ob es sich rächen wird, dass Werber so viele Witze auf dem Rücken von Robotern und KI machen?
©Text: Michael Kathe