In Michael Kathes Dreiteiler «Werbegeschichte: Levis 501.» geht es um die glorreichen Tage der Werbung. Superstars waren die Gesichter der Spots, die Experimentierfreude der Agenturen schien grenzenlos. Die Symbiose zwischen Musik und Bild funktionierte hervorragend und weltweit.
Der dritte und letzte Teil endet mit klassischer Musik! Als Glazer und BBH nach Musik für einen Spot suchten, landeten sie schliesslich bei Händels «Sarabade» und diese bildete den grandios eingesetzten Schlussakkord in der Werbekampagne, die mit Popsongs die Verkäufe angeheizt und die Charts erobert hatte.
Flat Eric
Mit Flat Eric zeigte BBH noch einmal auf, wie weit sich jugendaffine Spots in der innovativen neunziger Jahren vom Werbemainstream entfernen konnten. Nicht mehr nur das Herausspüren cooler Musiktrends aus vergangenen Zeiten wie in den späten Achtzigern, oder das (Mit-) Entdecken von neuen Trends und Hits – sondern das Setzen eines Trends, der über Musik hinausgeht. Dass mit Flat Eric der Erfolg der Kampagne noch einmal getoppt würde, hätten wohl BBH selber nicht gedacht. Oder doch?!
Die Story des Spots ist kaum der Rede wert: Zwei Freunde sind in einem Wagen und cruisen durch die Strassen. Sie werden von einem Polizisten angehalten, der kontrolliert, was sie im Kofferraum haben. Als er dort nur einen Stapel faltenfreier Hosen findet, lässt er sie weiter fahren.
Als John Hegarty die Story zum ersten Mal präsentierte, hielt er angeblich den kleinen Unterschied, das Detail, das alles anders (und noch absurder) macht, bis zum Ende der Präsentation zurück: “There’s just one thing I haven’t told you. One of the characters in this partnership is a yellow fluffy puppet.”
Ein Star war geboren: Flat Eric.
Obwohl ein Pretest keine vielversprechenden Resultate prognostizierte, wurde der Spot veröffentlicht. Doch, so Heagarty, „once it got out it expolded (…) Nobody could have predicted the success.“
Entdeckt hatten BBH die Puppe in einem Video von Elektromusiker Quentin Dupieux (aka Mr. Oizo) – und es spricht für die Agentur, dass sie dem Besitzer der Puppe(nidee) auch gleich die Möglichkeit gaben, mit seinem Song für sich zu werben. Und nicht nur das: Dupieux führte auch gleich im Spot Regie! Der Instrumentaltrack mit dem hypnotischen Beat landete in mehreren europäischen Ländern auf dem ersten Platz, darunter in so grossen Märkten wie Deutschland, Italien und UK. Dupieux’ Ursprungspuppe wurde von einer freischaffenden Mitarbeiterin des „Jim Henson Creature Shop“ zu einem Original gestaltet und im Spot von einem Henson-Puppenspieler gespielt.
Die Story zwischen dem jungen Mann und Flat Eric hatte nun überhaupt nichts mehr mit den Männlein-Weiblein-Geschichten am Hut, die rund 12 Jahre die Levis-Spots bestimmt hatte. Auf einmal drehte sich der Spot um eine Männerfreundschaft. Eine aussergewöhnlich liebevolle, intensive Männerfreundschaft, was die Folgespots noch stärker verdeutlichten:
Doch womit BBH nach der weirden Flat Eric Kampagne folgte, war ein Spot, der zumindest intellektuell, gleich noch einmal zulegte. Worin liegt die tiefe Bedeutung von Jeans? Und wer kann die Antwort auf diese Frage in einer Minute auf die Leinwand bringen?
Für den folgenden „Odyssey“-Spot engagierte man niemand geringeren als Jonathan Glazer als Regisseur, den Musikvideo-Magier, der gerade mit „Sexy Beast“ erfolgreich seine Kinokarriere startete. Er war perfekt. Sein überaus verstörendes Musikvideo „Rabid in the headlight“ (von der Band Unkle) wirkte mit seiner Serialität wie eine Blaupause für den neuen Levis-Spot, der auf metaphorische Weise den Weg zweier Teenager in die Freiheit aufzeigte. Die wollen nämlich oft „mit dem Kopf durch die Wand“, bevor sie richtig „Bäume ausreissen“ (hier Bäume hochrennen) können und schliesslich die Freiheit (des Weltraums) erreichen.
Wie der Junge und das Mädchen durch die Wände rennen, hat etwas unglaublich zwingendes. Hier geht es, wie auch bei „Drugstore“, nicht mehr um die Oberfläche des Boy-meets-girl-Spiels, sondern um die Tiefen des Erwachsenwerdens: die Ablösung (Kopf durch die Wand), das Erkennen, dass es noch andere gibt, die gleich fühlen, und die Phase, in der eine neue Identität angenommen wird. All das versuchte Glazer in einem einminütigen Werbespot so emotional wie möglich zu vermitteln.
Als Glazer und BBH nach Musik suchten, landeten sie schliesslich bei … klassischer Musik! Händels „Sarabade“ passte nicht nur perfekt zur Verstärkung der Emotionen, sondern bildete den grandios eingesetzten Schlussakkord in dieser Werbekampagne, die mit Popsongs die Verkäufe angeheizt und die Charts erobert hatte.
Und nein, „Sarabande“ schaffte es nicht in die Charts. Doch die hatten ihre Bedeutung in den Nuller Jahren ohnehin verloren.
–> Den ersten Teil finden Sie hier zum Nachlesen
–> Den zweiten Teil finden Sie hier zum Nachlesen
©Text: Michael Kathe