Shining Pictures aus Zürich hat für ŠKODA in Prag über Fallon einen Spot realisiert, der rund um den Globus eingesetzt wird. Wir haben uns mit dem Producer Stefan Bircher über die Hintergründe und Herausforderungen dieses Prestige-Auftrages unterhalten.
Es ist ein seltenes Ereignis, dass eine Schweizer Filmproduktion für eine Weltmarke einen Spot für den ganzen Globus realisieren darf. Wie ist Shining Pictures zu dieser internationalen Ehre gekommen?
Stefan Bircher: Die BSW-Agentur DD COM im Zürcher Seefeld betreut im Auftrag der AMAG die Werbung für ŠKODA in der Schweiz und hat im Rahmen der strategischen Ausrichtung der Marke mehrere Ideen für einen Spot entwickelt. Wir sind für einen Pitch angefragt worden. Die von DD COM entwickelte Idee nach dem Modell der „Misconception“ – also eine möglichst grosse Schere zwischen Bild und Kommentar – fand unser Regisseur Marco Lutz „grossartig“. Er hat für den geplanten Vignetten-Film ein paar weitere Szenen erfunden. Damit haben wir den Pitch gewonnen.
Das war aber ein Film nur für die Schweiz?
Genau. Der Spot und einzelne Vignetten davon werden dieses Jahr im TV und Online eingesetzt. Die Arbeit hat bei der AMAG so eingeschlagen, dass auch die Verantwortlichen im Hauptsitz von ŠKODA in Prag darauf aufmerksam wurden. Dort hat unser Film offenbar „super gefallen“. Auf jeden Fall kam via AMAG und DD COM eine Korrespondenz zustande in welcher ŠKODA wissen wollte, was es kosten würde, die Buyouts einzukaufen um den Schweizer Spot auch in anderen Ländern laufen zu lassen. Da haben wir gemerkt: Wir haben etwas richtig gemacht. In der Folge haben wir die Buyout-Abklärungen gestartet: Was bedeutet es für ganz Europa, die ganze Welt? Es ging um die Darsteller sowie um die Musik. Schliesslich hat ŠKODA die internationalen Rechte eingekauft.
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Der Beginn einer schönen Freundschaft.
Ja. Den Stein ins Rollen gebracht hat die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Agentur DD COM – aber es ging noch weiter. Plötzlich kam eine Anfrage, ob wir den gleichen Film noch einmal drehen könnten, neu aber mit internationalen Vignetten, wo es nicht mehr nur heisst „Der Schweizer ist…“ , sondern „Der Pole ist…“, „Der Tscheche ist…“, „Der Däne ist…“, „Der Österreicher ist…“. Wir sind aufgesprungen auf das Projekt. Marco Lutz war als Drehbuchautor und Regisseur für ŠKODA wiederum gesetzt. Wir mussten aber hart kämpfen und sehr geschickt verhandeln, dass wir auch den Produktions-Auftrag für Shining nach Zürich holen konnten. Bei einem internationalen Unternehmen wie ŠKODA stehen unzählige Filmproduktionen auf der Matte. ŠKODA arbeitet mit einer triple bid order. Wir haben das aber hingekriegt. Wir merkten: Da die Handlung in mehreren Ländern spielt, müssen wir gar nicht in der Schweiz drehen. Hätten wir in der Schweiz drehen müssen, wären wir vom Budget her gegen eine tschechische Produktion wohl chancenlos geblieben.
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Was läuft dort anders?
Es ist nicht nur das Lohngefälle. Wir haben sehr schnell auch realisiert: Bei solchen Weltfirmen funktioniert auch die Budgetierung ganz anders als in der Schweiz. Man bekommt einen riesigen Katalog mit Production Guidlines vorgesetzt. Dort drin wird aufgeführt wieviel Markup ŠKODA auf einzelnen Posten akzeptiert. Das ist akzeptabel weil ŠKODA mit einer „cost-plus“-Abrechnung arbeitet. Das Produktionsrisiko verteilt sich damit auch auf den Kunden selbst. Um den Job finanziell abzuschliessen muss aber jede Taxirechnung erklärt werden.
Ist das die Norm, wenn man für den VW-Konzern arbeiten darf?
Offenbar. ŠKODA hat wiederum die gleichen harten Konditionen, um in der VW-Konzerngruppe akzeptiert zu sein. Für uns bedeutete das ein langer Prozess mit vielen Legal Papers. Wir mussten Nachhaltigkeitskurse online absolvieren, damit wir überhaupt als Lieferant aufgenommen wurden. Wenn du dann aufgenommen bist, kommt noch einmal eine längere Phase, wo wir bei VW buchhalterisch erfasst werden.
Aber wenn es schliesslich „Action!“ heisst, dann beginnt die künstlerische Freiheit?
Für die Realisation unseres Films konnten wir aus dem Vollen schöpfen. Aber die Prozess-Qualität und die Reaktionszeiten müssen gewährleistet sein. Ob an den Wochenenden, nach Feierabend oder in den Ferien: Man muss 24 Stunden über 7 Tage erreichbar sein für den Auftraggeber. Wobei eine besondere Skurrilität erwähnenswert ist: Bei ŠKODA in Prag gibt es – wahrscheinlich als ein Überbleibsel vom Kommunismus – noch Betriebsferien. Volle vier Wochen ist das gesamte Unternehmen offline.
Schwierig, wenn man mit einem Projekt unter Zeitdruck steht?
Vor allem ungewohnt, für uns Schweizer. Aber die Kommunikation hat trotzdem funktioniert. Für wichtige Meetings und Entscheidungen sind die ŠKODA-Verantwortlichen halt für einen Tag aus den Ferien eingeflogen. Keine Betriebsferien gab es zum Glück bei Fallon Prag. Die weltweite Leadagentur von ŠKODA war ein wichtiger Ansprechpartner.
Über wie lange haben sich die Vorbereitungen erstreckt?
Nach dem OK für den Auftrag hatten wir sehr wenig Zeit. Die offizielle Purchase Order kam am ersten Juli, zwei Wochen später PPM, eine Woche danach startete der Dreh. Von Purchase Order bis Endabnahme vergingen sechs Wochen. Gedreht wurden schliesslich vier Tage – in der Innenstadt von Prag, an der polnischen Grenze, in der Nähe von Paris sowie auf einem kleinen Flughafen in Prag. Dort haben wir auf einer Piste die Packshots mit den fahrenden Autos gedreht.
Das tönt nach grossem Budget.
Es sind grosse Beträge da gewesen und es wurde nicht verhandelt über Dinge, wo man in der Schweiz sehr lange diskutiert. Das ist wieder ein Vorteil.
Zum Beispiel?
Wir haben eine Drohne am Set und man realisiert: Wir brauchen einen Heli zur Sicherheit Stand-By. Dann wird halt ein Helikopter geholt. Oder 100 Statisten sind zu wenig. Also können wir 200 auftreten lassen. Es kann aber auch heissen, dass ein Tag vor dem Dreh der Hauptcast abgeschossen wird. Von einem Entscheidungsträger, den wir bisher noch gar nie getroffen haben.
Das ist tatsächlich passiert?
Die vier Wochen Betriebsferien. Im ganzen Prozess haben wir mit vielen Entscheidungsträgern verhandelt und geplant. Wir hatten die Sicherheit, dass diese auch die Entscheidungsgewalt haben. Wir machten das PPM. Dort sind alle Darsteller abgenommen worden. Im Vorfeld des PPM gab es ein Casting und der Typ wurde genau definiert: wie alt ist er, wie sieht er aus? Abgenommen vom Kunden und der Agentur. Alles wurde regelfonform ausgeführt. Dann taucht am Tag vor dem grossen Dreh ein Problem auf; der Hauptcast einer der neuen Vignetten ist doch zu jung. Er wird abgeschossen.
Der Dreh wurde abgesagt?
Nein, das konnten wir nicht. Wir hatten am folgenden Tag eine Drehbewilligung für das Rudolfinum. Das ist das berühmte historische Konzertgebäude von Prag. Die Sonder-Genehmigung galt nur für diesen Tag. So haben wir innert 24 Stunden diese beiden Hauptrollen neu besetzt und gefittet. Dem ursprünglichen Cast aus Schweden musste abgesagt werden, denn im Konzept waren Nordländer vorgesehen. Gagen und Flüge mussten bezahlt werden, zu spät um kostenfrei storniert werden zu können. Aber es ist eine Herausforderung, in solchen Momenten den finanziellen Überblick behalten zu können. Welche Zusatzkosten sind frei gegeben und welche nicht? Was läuft unter „cost plus“ und wo muss ich aufpassen? Als Filmproduktion in der Schweiz arbeiten wir ja normalerweise nicht im „cost plus“-Modell sondern mit einem klassischen Mark-Up Modell und müssen jeden zusätzlichen Betragposten argumentieren. So war der Entscheid: Was darf ich nicht und was muss ich einfach machen, um die erwartete Qualität erreichen zu können.
Was war technisch die Herausforderung?
Es gab zweierlei technische Herausforderungen: auf dem Set und bei der Postproduction. Autos zu filmen ist technisch immer schwierig. Viele technische Utensilien wie Russian Arm und Low Loader für Fahraufnahmen, und die Lichtsituation. Die Autos sind ja spiegelglatt gereinigt. Deshalb haben wir für die Postproduction alle Autos in 3D nachbauen müssen, damit wir in der Postproduktion am Computer die Reflektionen auf den Autos kontrollieren und austauschen können. Es dürfen sich keine Kamera-Autos oder andere unerwünschte Dinge darin spiegeln. Raus damit. Oder etwas zusätzlich rein. Zum Beispiel Reflektionen vom Gras oder anderen Dingen an denen das Auto vorbeifährt, Dinge die auf dem Auto zu sehen sind. Für die Packshots auf der Flughafenpiste mussten wir die Strassenmarkierungen extra machen lassen. Der Film läuft international und da sehen solche Markierungen je nach Land etwas anders aus. Oder es gibt Linksverkehr statt Rechtsverkehr. Jedes Nummernschild muss in der Postproduction an das jeweilige Land in dem der TVC dann laufen wird angepasst werden.
Die Postproduction wurde in Zürich gemacht?
In den Production Guides von ŠKODA wird auch gesagt, mit welchen Lieferanten wir zusammen arbeiten müssen. Wir konnten die meisten selber wählen. Und natürlich unsere Crew mitbringen. Der Zürcher Kameramann Filip Zumbrunn war für uns gesetzt. Ein paar Lieferanten sind aber vorgegeben. Wir mussten zum Beispiel mit UPP zusammen arbeiten, das ist ein Postproduction Haus in Prag. Wir haben den Vorteil, dass wir schon bei zwei grösseren Projekten mit Marco Lutz bei diesem Studio gearbeitet haben. Somit kannten wir die Leute und das Vertrauen war da. Das Tonstudio Soundsquare war auch eine Bedingung. Der englische Sprecher für ŠKODA ist fix und wird jedes Mal von England eingeflogen. Wir konnten aber den Musiker selber wählen. Tracks & Fields, eine Lizenzfirma in Berlin, die Musik sucht und lizensiert.
Jetzt wird der Film in der ganzen Welt gezeigt, wo ŠKODA verkauft wird?
Wir haben mehrere Filme gemacht. Sechs neue Vignetten zu je 15 Sekunden, fertig mit Sound und mit Überlängen. Diese 15-Sekünder gehen in die einzelnen Länder, zusammen mit den Schweizer Vignetten aus unserem ersten Spot. Das sind ebenfalls 15-Sekünder. Aus diesem Paket mit total 13 Vignetten können die einzelnen Länder jeweils ihr eigenes Päckchen montieren. In der Schweiz ist „grosser Kofferraum“ ein Thema, in einem anderen Land „4 x 4“ oder „Sicherheit“. Je nach Land wird auch das Argument „Komfort“ oder „Preis Leistung“ anders gewichtet. So kann jede Landesvertretung die entsprechenden Vignetten raussuchen und daraus ihren massgeschneiderten Spot gestalten. Die einzelnen Edits machen die Länder selber. Die Länder organisieren auch ihre eigenen Sprecher sowie die Musik. Im ursprünglichen Spot haben wir ein Alphorn eingesetzt, modern inszeniert, was für die Schweiz gut gepasst hat. Die neuen Länder werden jetzt ihre individuelle Musik dazu mischen.
Ein sehr raffiniertes Spiel mit verschiedenen Modulen.
Es ist die massgebliche Grundidee, dass unser Spot international sehr kreativ eingesetzt werden kann. Wir haben den Ländervertretungen dazu auch Hilfeleistungen geliefert. Wir haben die einzelnen Vignetten von 15 Sekunden auch auf sechs bis 7,5 Sekunden runtergeschnitten und zeigen, wie man das Material zum Beispiel montieren könnte, damit es in eine bestimmte Länge passt. Ausserdem haben wir einen kompletten Beispielspot montiert der als Vorgabe dient. Die meisten Länder wollen 30-Sekünder für ihre Sender. Da passen 4 Vignetten sowie ein Packshot. Wir drehten einen sogenannten Matchcut-Packshot: ein fahrendes Auto auf einer Landstrasse, wo hart geschnitten wird von einem Fahrzeug auf das nächste, aber ohne dass sich der Hintergrund verändert. Wir haben auch mit dem Off-Sprecher ganz viel verschiedene Versionen aufgenommen. Die Aussage „Die Polen sind konservativ“ haben wir somit auch aufgenommen mit Dänen, Deutsche oder Österreichern. So kann man den Off-Text variieren.
Ein sehr gelungenes Modell von einem kreativen Modul-Film. Wie geht es mit ŠKODA weiter?
Wir haben tatsächlich bereits eine nächste Anfrage von Fallon Prag für ein ŠKODA Projekt. Aber es wird wieder einen Pitch geben. Triple bid order…
© Interview: Andreas Panzeri